Ob XXL-Sport, Salamander oder Gerry Weber: Die Zahl der Rückzugs- und Insolvenzmeldungen wächst auch in Österreich stetig. Die Krisen der letzten Jahre haben so manches Unternehmen schwer gebeutelt. Doch oft ist diese Schieflage auch hausgemacht. Viele der Betriebe haben zu spät auf den digitalen Fortschritt reagiert und es verpasst, rechtzeitig die Weichen Richtung Omnichannel-Vertrieb zu stellen. Auch durch Nachhaltigkeit können Händler ihren Umsatz steigern und Kunden binden.

Doch wie können Händler diesen Balance-Akt bewältigen und welche Entscheidungen sind notwendig, um sich in einer immer stärker digitalisierten und dynamischen Welt erfolgreich zu positionieren? Die folgenden Thesen, basierend auf der Retail-Studie 2023 von Shopgate, verdeutlichen, welche Entwicklungen den Handel prägen und von wirtschaftlicher Relevanz sind. Die Studie wurde mit über 2.000 Konsumentinnen und Konsumenten sowie mit über 300 Händlern durchgeführt.
1. Händler schöpfen die Potenziale von Omnichannel-Services noch nicht vollständig aus
Insbesondere Omnichannel-Services wie Click & Collect, Click & Reserve oder Return in Store stärken die Synergien zwischen Online- und stationärem Handel. Sie ermöglichen es Kunden, Produkte online zu erwerben oder zu reservieren und in einer Filiale abzuholen oder dort zurückzugeben. Diese Konzepte erfreuten sich unter Verbrauchern zunehmender Beliebtheit und locken sie von den Bildschirmen in die Geschäfte. Doch das Angebot ist ausbaufähig. So ist Click & Collect zwar der bekannteste und am meisten genutzte Service. Dennoch bietet ihn immer noch weniger als die Hälfte der Händler an. Dabei stellen solche Omnichannel-Services eine enorme Chance dar. Immerhin sind Kunden, die sie bereits genutzt haben, sehr zufrieden mit ihnen – ein deutliches Zeichen, dass der Handel dieses noch ungenutzte Potenzial erschließen sollte. „Kunden erwarten zunehmend ein nahtloses und integriertes Einkaufserlebnis“, sagt Philipp Engelmann, General Manager Omnichannel bei The Kadewe Group. Die Händler müssen es verinnerlichen, „dass dies nur erreicht werden kann, wenn sie auf allen Touchpoints einer Customer Journey für den Kunden relevant sind.“
2. Mit der Rückkehr zum „Old Normal“ riskiert der Handel seine Zukunftsfähigkeit
Ungeachtet der Möglichkeiten, die Omnichannel-Services bieten, nimmt die Anzahl der Händler, die sie nutzen, sogar leicht ab. Seitdem die Phase der Corona-Lockdowns beendet ist, suchen Kunden wieder vermehrt die Ladengeschäfte auf. Das lässt unter Einzelhändlern die Hoffnung auf eine Rückkehr zum altbekannten „Normal-Betrieb” wachsen. Doch diese Annahme kann die gesamte Branche erneut zurückwerfen. Der stationäre Handel versäumt dadurch die Gelegenheit, sich proaktiv für die Zukunft aufzustellen. Statt die Möglichkeiten und Vorteile von Omnichannel-Services zu nutzen, gerät er wieder verstärkt in eine Abhängigkeit von stationären Filialen und verpasst es, innovative Lösungen zu entwickeln, die für den Erfolg in einer zunehmend digitalen Welt entscheidend sind.
„Die Frage, was richtig ,Omnichanneln´ bedeutet und wie es wirkungsvoll umgesetzt werden kann, ist aktueller denn je: Auf der einen Seite hat der Onlinetrend Stationärhändler zunehmend gezwungen, eine Brücke in die digitale Welt zu bauen. Andererseits macht sich angesichts von überhöhten Erwartungen und/oder unterschätzten Investitionen derzeit auch die Erkenntnis breit, dass das Digitale zwar alles teurer macht, aber nicht unbedingt besser. Der Handel muss sich noch klarer positionieren, um im Zeitalter von Blockchain, Crypto, Metaverse & Co. erfolgreich zu sein und die steigenden Erwartungen der Shopper bezüglich ,Seamless Retail´ optimal zu erfüllen.“
MARTIN HOTZ, Inhaber von Fuhrer & Hotz Excellence in Retailing und Gründer des Schweizer Omnichannel-Forums
3. Metaverse und Augmented Reality: Der Handel muss aufrüsten, um nicht den Anschluss zu verlieren
Mit Augmented Reality (AR) und dem Metaverse – also Technologien, die die reale und virtuelle Welt verbinden – kommen neue digitale Player auf das Spielfeld. 29 Prozent der Kunden haben bereits Erfahrungen im Metaverse und rund die Hälfte mit AR gesammelt. Sie würden diese Technologien auch gerne intensiver während ihrer Einkäufe nutzen, wäre das Angebot größer. Zwar hat bereits rund ein Viertel der Händler Erfahrungen mit dem Metaverse und knapp ein Drittel mit AR gesammelt, dennoch sind fast 20 Prozent noch völlig unvertraut mit der Metaverse-Technologie. So steigt das Risiko, dass der etablierte Handel technisch abgehängt wird. Beide Gruppen – Käufer wie Verkäufer – sehen diese Technologien jedoch langfristig als relevant an. Mehr als 70 Prozent der Händler finden AR interessant für die Zukunft – ein vielversprechendes Zeichen für die Bedeutung innovativer Lösungen im Handel. „Den Fokus auf die Kund*innen zu setzen und den Handel anhand dessen zu optimieren wird zukünftig noch wichtiger. Die Welt des stationären Handels befindet sich mindestens seit dem Start der Covid-Pandemie in einem ständigen Wandel, der sich stark auf die Digitalisierung stützen sollte. Der rapide Anstieg von Usern, die neuartige Programme wie OpenAI nutzen, zeigt den deutlichen Umschwung hin zu digitalen Lösungen. Mehr in KI und digitale In-Store-Experience zu investieren, sollte ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Retail-Strategie sein“, so Julia Böhmer, Marketing Strategy Manager Europe Alpha Industries Europe.
4. Durch Nachhaltigkeit können Händler ihren Umsatz steigern und Kunden binden
Nachhaltigkeit wird im Handel noch nicht als bedeutender USP anerkannt. 40 Prozent der Händler sehen Green Retail eher als kurzlebige Modeerscheinung statt als nachhaltige Geschäftsstrategie. Unter Konsumenten zeigt sich dagegen ein deutliches Bewusstsein für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung. Über 60 Prozent wären sogar bereit, mehr für Produkte von Unternehmen zu zahlen, die nachhaltig agieren und sich sozial engagieren. Für Händler ist es entsprechend wichtig, solche Kundenerwartungen zu erkennen und zu berücksichtigen. Eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie ist nicht nur aus ethischen Gründen wertvoll, sondern kann das Kundenengagement steigern und langfristig zu höheren Umsätzen führen.
Fazit: Innovation und Omnichannel-Exzellenz als Erfolgsrezepte für den zukunftsfähigen Handel
Diese neuen Thesen offenbaren, dass es nicht immer einfach für den Handel ist, mit der digitalen Entwicklung Schritt zu halten und den sich wandelnden Kundenbedürfnissen gerecht zu werden. Gleichzeitig lassen sie jedoch auch die Potenziale erkennen, die im Wandel liegen. Fokussieren sollte sich der Handel dabei auf eine kontinuierliche und nachhaltige Entwicklung, statt auf den kurzfristigen Erfolg. Denn Händlern, die kontinuierlich Innovationen vorantreiben, Omnichannel-Exzellenz entwickeln und die Grenzen zwischen Online- und Offline-Welten nach und nach aufbrechen, steht eine erfolgreiche Zukunft bevor.
Die Shopgate-Studie „Retail Reality 23 – Was Händler denken und Kunden wollen“ steht zum kostenfreien Download bereit: https://www.shopgate.com/retail-reality-23.

Über den Autor:
Ralf Haberich ist seit April 2021 CEO der Shopgate GmbH (www.shopgate.com). In dieser Position verantwortet er vor allem die Bereiche Business Development, Partnership, Marketing, Sales und HR. Haberich ist außerdem im Aufsichtsrat der konversionsKraft AG und Investor bei Start Ups im digitalen Ecosystem. Er verfügt über mehr als fünfzehn Jahre Digital-Business-Erfahrung und besitzt umfassende Kenntnisse auf den Gebieten digitales Marketing, Unternehmensstrategie und Customer Engagement.