Gewährleistungsrecht neu – ein vertretbarer Kompromiss

In Österreich wird es bald ein neues Gewährleistungsrecht geben

In den letzten Jahren standen immer wieder Adaptierungen – aus Sicht des Handels gleichbedeutend mit Verschärfungen – des Gewährleistungsrechts im Raum. Dieser Kelch ist stets an der Branche vorübergegangen – bis heuer.

Bereits im Jahr 2019 hatten sich die EU-Staaten auf eine Harmonisierung des Gewährleistungsrechts geeinigt, das in diesem Zuge auch auf die neuen (digitalen) Bedürfnisse angepasst werden sollte. Die Basis dafür bilden zwei EU-Richtlinien: Die „Digitale-Inhalte-Richtlinie“, die vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen regelt, sowie die „Warenkauf-Richtlinie“ zu vertragsrechtlichen Aspekten des Warenkaufs. Diese beiden Richtlinien werden nun durch das „Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetzes” (kurz: GRUG) in nationales Recht umgesetzt.

Die Umsetzung in nationales Recht muss allerdings bis Sommer erfolgen. Das erklärt die plötzliche Eile der Regierung: Im April wurde der Gesetzesentwurf veröffentlicht, die Zustimmung im Parlament vorausgesetzt sollen die Bestimmungen des GRUG im Juli 2021 in Kraft treten. Ein sportliches Vorhaben von Justizministerin Alma Zadićs. Immerhin lagen zum Ende der Begutachtungsfrist am 7. Mai rund 30 Stellungnahmen vor – abgegeben aus allen Lagern: Wirtschaftsvertretern, Verbraucherschützern, juristischen Organisationen und politischen Stellen.

Worst-Case-Szenario in weiter Ferne

Obwohl die finale Fassung des Gesetzestextes noch nicht vorliegt, lassen sich zwei Dinge bereits jetzt mit Sicherheit sagen: Erstens wird das erklärte Ziel, den Endkunden die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen zu erleichtern, erreicht. Zweitens hätte für den Handel alles wesentlich schlimmer kommen können.

Den „Super-Gau” hätte in dieser Hinsicht der Forderungskatalog der Arbeiterkammer dargestellt: Diese pochte nämlich darauf, die möglichen Spielräume voll auszureizen. Das hätte unter anderem bedeutet:

  • Die Gewährleistungsfrist für langlebigere Waren auf (mindestens) fünf Jahre zu verlängern
  • Bei versteckten Mängel ab Kenntnis des Mangels noch einen Gewährleistungsanspruch auszulösen
  • Die Beweislastumkehr von derzeit sechs Monaten auf zwei Jahre zu verlängern
  • Ein Rücktrittsrecht binnen 30 Tagen, wenn in diesem Zeitraum ein Mangel auftritt
  • Die Pflicht zur sofortigen Durchführung von Reparaturen (alternativ: Ersatzgerät bereitstellen, Geld retournieren oder neue Ware aushändigen)
  • Eine ergänzende Direkthaftung des Herstellers/Importeurs, um nicht nur den Händler mit den Gewährleistungspflichten zu belasten

In eine ähnliche Kerbe schlug auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI), ging mit seinen Forderungen aber nicht ganz so weit wie die AK und verlangte vor allem Nachbesserungen in den Bereichen Nachhaltigkeit sowie Zugang zum Recht.

GRUG – was steht drin?

Auch wenn die Justizministerin viel weiter hätte gehen können, ist das vorliegende Gesetzespaket für den Handel nicht ganz „ohne”. So ist darin eine Verlängerung der Frist für die Beweislastumkehr von 6 auf 12 Monate vorgesehen, außerdem wird die Schwelle für die Vertragsauflösung (ehem. Wandlung) deutlich gesenkt. Zudem können Konsumenten hinkünftig auch nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist ihre Ansprüche vor Gericht geltend machen – der einzige Punkt, in dem die Gesetzesvorlage über die Minimalvorgaben aus Brüssel hinausgeht.

Neben den Verschärfungen des bestehenden Regelwerks geht das neue Gewährleistungsrecht auch auf die heutigen Lebensumstände ein und bringt dahingehend einige echte Neuerungen: Erstmals sind digitale Bereiche wie Mailservices, Streaming-Dienste oder Cloud-Anwendungen umfasst – wenn dafür mit personenbezogenen Daten bezahlt wird. Das mag für den Einzelhandel beim Produktverkauf als nicht besonders relevant erscheinen, birgt durch die zusätzlichen Features und freischaltbaren Services, die der Konsument durch Bereitstellen seiner Daten erwerben kann, aber einiges an Sprengkraft in sich.

Dazu kommt die „Update-Pflicht”: Für „smarte” Geräte wie Smartphones, Smartwatches, Smart-TVs oder auch Smart Home-Produkte müssen in Zukunft Software-Updates bereitgestellt werden, solange dies „vernünftigerweise erwartbar” ist – dh zumindest für zwei Jahre. Das soll für eine längere Nutzungsdauer derartiger Produkte sorgen. Denn tatsächlich weisen diese eine große Software-Komponente auf und ist diese nicht aktuell, ist zumeist die allgemeine Benutzbarkeit beeinträchtigt und/oder mit einem Sicherheitsrisiko behaftet. Zwar kommen diese Updates in der Regel vom Hersteller, doch verschwindet dieser vom Markt, droht der Händler auf der Strecke zu bleiben.

Fazit

Das neue Gewährleistungsrecht lässt also noch einiges an Interpretationsspielraum offen und gerade in den noch jungen Bereichen, die mit dem digitalen Lebensstil einhergehen, wird die gelebte – und judizierte – Praxis erst die Richtung konkretisieren müssen. Während die Rechte und Möglichkeiten der Konsumenten gestärkt werden, steigt der Druck auf Hersteller und Handel: Die Produzenten werden bei der Ausgestaltung ihrer Geräte wohl Wert darauf legen (müssen), nicht in die „Gewährleistungsfalle” in Form von kostenintensiven Nachforderungen zu stolpern. Indes werden die Händler gut beraten sein, bei der Auswahl ihrer Lieferanten in Zukunft etwas genauer hinzuschauen.


Wolfgang Schalko | Chefredakteur elektro.at
E&W – Herausgeber & Ressortleitung Multimedia

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