Legal Update #11 – Geoblocking als Kartellverstoß

Geoblocking als Kartellverstoß – worauf muss ich als Händler achten?

Ende Jänner hat die Europäische Kommission aufgrund bilateraler Vereinbarungen zum Geoblocking hohe Geldbußen gegen Spieleverlage verhängt. Durch derartige bilaterale Vereinbarungen bzw abgestimmte Verhaltensweisen, wurde Verbrauchern die Möglichkeit entzogen, das beste Angebot aus verschiedenen Mitgliedstaaten auszuwählen. Mit Inkrafttreten der Geoblocking Verordnung im Jahr 2018 hat sich einiges verändert: neu ist nicht nur das Erfordernis einer expliziten Einwilligung vor der Weiterleitung des Kunden auf die nationale Internetseite, auch gibt es ein Verbot unterschiedlicher Preise für das selbe Produkt je nach Herkunft des Kunden. Der folgende Beitrag befasst sich nicht nur mit einer konkreten Entscheidung der Europäischen Kommission, sondern auch ganz allgemein mit dem Thema Geoblocking als Kartellverstoß.  

Anlassfall

Ende Jänner 2021 verhängte die Europäische Kommission aufgrund bilateraler Vereinbarungen zum Geoblocking gegen Valve, Eigentümer der Online-PC-Spieleplattform “Steam”, und die fünf Spieleverlage Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax Geldbußen in der Höhe von EUR 7,8 Mio.[i]

Valve und die fünf Verlage beschränkten den grenzüberschreitenden Verkauf einiger PC-Videospiele an Nutzer in bestimmten Ländern des EWR. Über Steam, eine der weltweit größten PC-Videospieleplattformen, können Nutzer PC-Videospiele direkt herunterladen oder streamen; auch physisch erworbene PC-Videospiele (zB auf DVD) oder Spiele, die über Websites Dritter in digitaler Form erworben wurden, können auf Steam aktiviert und gespielt werden.

Mit den von Valve bereitgestellten Aktivierungsschlüsseln können Videospiele der Verlage auf Steam aktiviert und gespielt werden, auch wenn sie nicht dort gekauft wurden. Die Verlage weisen diese Schlüssel ihren PC-Videospielen zu, die Spiele können in weiterer Folge nur mit diesen Schlüsseln aktiviert werden. “Anschließend werden die PC-Videospiele von Drittanbietern im EWR verkauft. Valve bietet den Verlagen zudem eine Gebietskontrollfunktion, sodass die Aktivierung der PC-Videospiele geografisch beschränkt werden kann. Wenn die Nutzung von Steam-Aktivierungsschlüsseln mit der Gebietskontrollfunktion verknüpft wird, kann die Aktivierung von PC-Videospielen abhängig vom geografischen Standort des Nutzers blockiert werden (Geoblocking). Die Videospieleverlage erteilten Valve eine nichtausschließliche Lizenz für die weltweite Verwertung bestimmter PC-Videospiele, die auch für den gesamten EWR galt. Im Gegenzug erhielten die Verlage von Valve eine Lizenz für die Nutzung der Steam-Aktivierungsschlüssel für den Vertrieb dieser Spiele außerhalb von Steam. Die Verlage forderten Valve auf, geografische Beschränkungen durch die Bereitstellung geoblockierter Steam-Aktivierungsschlüssel zu ermöglichen. Diese Schlüssel stellten sie dann ihren Vertriebshändlern für den Verkauf und Vertrieb der PC-Videospiele in den betreffenden Mitgliedstaaten zur Verfügung. So wurden außerhalb bestimmter Mitgliedstaaten ansässige Nutzer daran gehindert, bestimmte PC-Videospiele mit Steam-Aktivierungsschlüsseln zu aktivieren.[ii]

Folgende Geoblocking-Praktiken wurden von der Kommission beanstandet:

  • Bilaterale Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Valve und jedem der fünf Verlage: Diese wurden durch geoblockierte Steam-Aktivierungsschüssel umgesetzt, mit denen bei unaufgeforderten Kaufanfragen bzw. Bestellungen die Aktivierung bestimmter PC-Videospiele dieser Verlage außerhalb von Tschechien, Polen, Ungarn, Rumänien, der Slowakei, Estland, Lettlandsund Litauen verhindert wurde. Diese Praktiken erstreckten sich zwischen September 2010 und Oktober 2015 über Zeiträume von ein bis fünf Jahren.
  • Geoblocking-Praktiken im EWR in Form von bilateralen Lizenz- und Vertriebsvereinbarungen zwischen vier der fünf Verlage (Bandai, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) und einigen Anbietern ihrer PC-Videospiele im EWR (ausgenommen Valve): Die Vereinbarungen enthielten Klauseln, durch die der grenzüberschreitende Verkauf der betreffenden PC-Videospiele innerhalb des EWR einschließlich der oben genannten mittel- und osteuropäischen Länder beschränkt wurde. Diese Praktiken wurden in der Regel über längere Zeiträume von drei bis elf Jahren (entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen) zwischen März 2007 und November 2018 angewandt.

Die EU-Kommission qualifizierte die bilateralen Vereinbarungen zum Geoblocking bestimmter PC-Videospiele außerhalb bestimmter Gebiete als Abschottung des EWR-Markts und folglich als Verstoß gegen das Europäische Kartellrecht. Durch die Geoblocking-Praktiken wurden Verbraucher daran gehindert, PC-Videospiele, die sie bei Vertriebshändlern der Verlage auf physischen Medien oder in digitaler Form gekauft haben, zu aktivieren und zu spielen. Die Vorteile des europäischen Binnenmarkts, vor allem die Möglichkeit, das beste Angebot aus verschiedenen Mitgliedstaaten auszuwählen, blieben den Verbrauchen somit vorenthalten. Auch die bilateralen Absprachen bewirkten, dass möglicherweise ein erworbener Spieletitel/Aktivierungscode in einem anderen Land nicht mehr benutzt werden konnte/funktionierte.

Dies verdeutlichte auch Vizepräsidentin der EU-Kommission Margrethe Vestager: “Die heute wegen der Geoblocking-Praktiken von Valve und fünf PC-Videospieleverlagen verhängten Geldbußen dienen als Erinnerung daran, dass es den Unternehmen nach dem EU-Wettbewerbsrecht untersagt ist, den grenzüberschreitenden Verkauf vertraglich zu beschränken. Denn solche Praktiken verhindern, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa die Vorteile des digitalen Binnenmarktes nutzen und sich in der gesamten EU das beste Angebot aussuchen können.[iii]

Während die fünf Verlage mit der Europäischen Kommission kooperierten (Anerkennung des Sachverhalts und der Verstöße gegen das EU-Kartellrecht), wodurch deren Geldbußen in der Folge um 10 % reduziert wurden, verweigerte Valve (nach Angaben der Kommission) die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission.

Geoblocking

Allgemeines & Anwendungsbereich

Die Geoblocking-VO[iv] ist seit 23. März 2018 in Kraft und seit dem 3. Dezember 2018 direkt anwendbar. Grundsätzlich wird unter “Geoblocking” eine Zugriffsbeschränkung auf eine Website bzw einzelne Inhalte anhand der Ländererkennung der IP-Adresse eines Users verstanden. Eine maßgebliche Neuerung, die die Geoblocking-Verordnung mit sich brachte, ist das Verbot für Online-Händler, Kunden aus bestimmten europäischen Staaten den Zugriff auf Websites zu verwehren. Ziel der VO ist es, Kunden einen besseren Zugang zu Waren und Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt zu gewähren und eine Ungleichbehandlung von Kunden zu verhindern.[v]

Zentrale Intention des europäischen Gesetzgebers war es, das Prinzip “shop like a local” zu verwirklichen. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass derjenige, der wie ein “local” einkauft, auch nichts anderes als ein “Einheimischer” verlangen kann.[vi]

Vom Anwendungsbereich umfasst sind natürliche und juristische Personen, die für die Zwecke der gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit des Anbieters selbst oder durch eine andere im Namen oder im Auftrag des Anbieters handelnde Person tätig werden. Konkret umfasst sind vor allem Online-Händler, die ihre Waren und Dienstleistungen in eigenen Onlineshops oder auf Marktplätzen anbieten (“Anbieter” iSd Art 2 Z 18 der Geoblocking-VO). Räumlich erfasst sind alle grenzüberschreitenden Sachverhalte innerhalb der Europäischen Union; eine Niederlassung in der EU ist allerdings nicht erforderlich.

Vom Anwendungsbereich der Geoblocking-Verordnung ausgenommen sind unter anderem Verkehrs-, Finanz- und Gesundheitsdienstleistungen sowie Glücksspiel und audiovisuelle Dienste. Nennenswert sind hier zB die Buchung von Flugtickets oder die Übertragung von Sportveranstaltungen.

Wesentliche Bestimmungen

  • Verbot der Zugangssperre zu Internetseiten und automatische Weiterleitung ohne die vorherige Einwilligung (Auto Forwarding) des Kunden aus Gründen der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden (Art 3 Geoblocking-VO)
  • Aber: Zulässigkeit unterschiedlicher Preise je nach Ländershop
  • Vor der Weiterleitung des Kunden auf die nationale Internetseite ist eine explizite Einwilligung (Opt-In) erforderlich.
  • Verbot der Diskriminierung durch unterschiedliche AGB, nationale Abweichungen der AGB in nichtdiskriminierender Weise sind allerdings zulässig (Art 4 Abs 2 Geoblocking-VO)
  • Verbot unterschiedlicher Preise für das selbe Produkt je nach Herkunft des Kunden
  • Verbot unterschiedlicher Bedingungen für einen Zahlungsvorgang, wenn (i) der Zahlungsvorgang über eine elektronische Transaktion durch Überweisung, Lastschrift oder ein kartengebundenes Zahlungsinstrument innerhalb derselben Zahlungsmarke und Zahlungskategorie erfolgt, (ii) die Authentifizierungsanforderungen gemäß der Zahlungsdiensterichtlinie 2015/2366 erfüllt sind und wenn (iii) die Zahlungsvorgänge in einer Währung erfolgen, die der Anbieter akzeptiert (Art 5 Geoblocking-VO).
  • Aber: keine europaweite Verkaufs- und Lieferpflicht für Händler

Geoblocking & Kartellrecht

Die Geoblocking-Verordnung ist (auch) dem Wettbewerbsrecht zuzuordnen und behandelt Fragen des Wettbewerbsverhältnisses zwischen Unternehmen und des Vertriebs von Waren- und Dienstleistungen im Binnenmarkt.[vii]

Laut Geoblocking-VO ist es Online-Händlern untersagt, beim Verkauf von zB PC-Spielen auf CD/DVD die Nutzung geografisch zu beschränken. Dieser Mechanismus legt einerseits ein ausdrückliches und einfach erklärbares Verbot fest, das für Händler aller Art gilt (unilaterales Verhalten). Von der Geoblocking-VO nicht erfasst sind jedoch Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen mehrerer Unternehmen (multilaterales Verhalten), durch die Geoblocking eingeführt wird. Solches Verhalten setzten die Unternehmen im oben beschriebenen Fall. Das Ergebnis für den Endkunden ist dasselbe: Durch die Geoblocking-Praktiken der oben genannten Unternehmen konnten Verbraucher bestimmter Länder PC-Videospiele weder aktivieren noch spielen.

Für Fragen von Verbrauchern nach der Geoblocking-VO ist von jedem Mitgliedstaat eine zuständige Verbraucherbehörde zu benennen. Bis Anfang 2020 war dies die Bundeswettbewerbsbehörde. Nach einer mehr als 14-monatigen Legisvakanz wurde diese Zuständigkeit am 26.03.2021 ohne Begründung dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen zugewiesen (BGBl. I Nr. 57/2021).

Kartellrecht

Art 101 AEUV untersagt Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verhindern, einschränken oder verfälschen. Wort- und sinngleiche Bestimmungen finden sich in den Rechtsordnungen jedes EU-Mitgliedstaates. Unter das Kartellverbot fallen auch Vereinbarungen, die Verbraucher durch Geoblocking benachteiligen. So ist Geoblocking jedenfalls illegal: Einem Unternehmen alleine ist Geoblocking im Sinne der Geoblocking-VO untersagt, während mehrere Unternehmen, die sich auf Geoblocking von zwischen ihnen und Endkunden gehandelte Produkte verständigen, einen Verstoß gegen das Kartellverbot riskieren.

Ein Verstoß gegen das Kartellverbot zieht regelmäßig schwerwiegende Konsequenzen nach sich: Während die Geoblocking-VO die Konsequenzen für Verstöße an die Mitgliedstaaten delegiert (in Österreich aufgrund der erwähnten Regelungslücke keine), sieht das europäische und innerstaatliche Kartellrecht für die beteiligten Unternehmen Geldbußen von bis zu 10% der weltweiten Jahresumsätze vor.

Was bedeutet dies für Händler?

Äußerst relevant für von Geoblocking negativ betroffene Unternehmer ist, dass sie sich gegen derartiges wettbewerbswidriges Verhalten zur Wehr setzen können: Ihnen stehen nicht nur (auch kurzfristig wirksam) Unterlassungs- und Abstellungsansprüche zu. Die RL über Schadenersatzklagen wegen Kartellrechtsverstößen[viii] ermöglicht es außerdem Opfern von Kartellrechtsverstößen, Schadenersatz zu erhalten. Unternehmen, die von wettbewerbswidrigem Verhalten betroffen sind, können daher bei den nationalen Gerichten Schadenersatz begehren; Beschlüsse der Kommission, die ein Verhalten für rechtswidrig erklären, entfalten Bindungswirkung.[ix] Für die betroffenen Unternehmen (hier: Valve, Bandai Namco, Capcom, Focus Home, Koch Media und ZeniMax) bedeutet dies, dass die Angelegenheit mit der Geldbuße der Europäischen Kommission noch nicht ad acta gelegt werden kann. Für Spieler wird die Entscheidung der Europäischen Kommission einen freieren, diskriminierungsfreieren europäischen Binnenmarkt schaffen.[x]

Mag.a Jacqueline Bichler / Mag. Florian Prischl


[i] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20.1.2021, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_170 (zuletzt abgerufen am 9.3.2021).

[ii] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20.1.2021, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_170 (zuletzt abgerufen am 9.3.2021).

[iii] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20.1.2021, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_170 (zuletzt abgerufen am 9.3.2021).

[iv] Verordnung (EU) 2018/302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2018 über Maßnahmen gegen ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden innerhalb des Binnenmarkts und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 2006/2004 und (EU) 2017/2394 sowie der Richtlinie 2009/22/EG (Text von Bedeutung für den EWR.), ABl L 2018/60I, 1.

[v] Safron, Die neue Verordnung gegen Geoblocking − Eine verpasste Chance?, wbl 2016, 417.

[vi] Schmitt, Webshop-Gestaltung nach der Geoblocking-VO, jusIT 2018/76.

[vii] Prischl, Wettbewerbsregeln für vertikale Vereinbarungen: Update für die Vertikal-GVO, https://retail.at/2020/10/12/wettbewerbsregeln-fuer-vertikale-vereinbarungen-update-fuer-die-vertikal-gvo/ (zuletzt abgerufen am 9.3.2021).

[viii] RL 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl L 2014/349, 1.

[ix] Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 20.1.2021, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_21_170 (zuletzt abgerufen am 9.3.2021).

[x] https://www.wbs-law.de/wettbewerbsrecht/verstoss-gegen-geoblocking-verbot-spieleentwickler-valve-erhaelt-millionenstrafe-53852/?utm_source=wbs-law.de+Newsletter&utm_campaign=e6b0adfe01-wbs_newsletter_weekly_09_2021&utm_medium=email&utm_term=0_727e2d2be2-e6b0adfe01-65311157 (zuletzt abgerufen am 9.3.2021).

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