LH Drexler: „Handel wird nachhaltiger und grüner“

Der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler spricht im Interview mit retail.at über die Rolle des Handels für gesunde Ortskerne, Verschärfungen in der Raumordnung und seine persönlichen Shopping-Erlebnisse.

LH Christopher Drexler im Interview: “Die Stärkung von Orts- und Stadtkernen ist eine Schlüsselfrage für eine nachhaltige Entwicklung in der Steiermark.” © Land Steiermark

Herr Landeshauptmann, wie oft gehen Sie einkaufen und was erleben Sie da?

Landeshauptmann Christopher Drexler: Um ehrlich zu sein in sehr unterschiedlichem Rhythmus. Aber in ganz vielen Bereichen stößt man da auf herausragende steirische Produkte. Ich denke hier jetzt nicht nur an Lebensmittel, die hier bei uns in so einzigartige Qualität produziert und vertrieben werden, sondern auch an Produkte mit Spitzentechnologien, die aus der Steiermark kommen.

Die Steiermark ist vor allem als Industrie- und Tourismusregion bekannt. Tatsächlich beschäftigt der Handel fast genauso viele Mitarbeiter:innen (72.000) wie die Industrie (84.600) und deutlich mehr als Tourismus und Freizeitwirtschaft (43.200). Große Handelsunternehmen wie Kastner & Öhler, Humanic oder die Unito-Gruppe (Österreich-Tochter der Otto Group) haben ihren Sitz in der Steiermark. Ist die Wichtigkeit der Branche zu wenig bekannt? Woran liegt das?

LH Drexler: Ich bin nicht der Meinung, dass der Handel in der Steiermark nur eine untergeordnete Rolle spielt. Gerade die genannten Unternehmen, aber auch die zahlreichen weiteren Handelsunternehmen des Landes mit ihren vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stellen unter Beweis, welche wichtige Rolle der Handel für die steirische Wirtschaft einnimmt. Doch nicht nur die steirischen Unternehmen, sondern auch ihre Produkte erfreuen sich weit über die Grenzen des Landes hinaus großer Beliebtheit.

Der Handel leidet derzeit unter einer sehr schwachen Konsumnachfrage. Durch die hohe Inflation ist kaum Geld da, mit dem sich die Kund:innen einen kleinen Luxus zwischendurch gönnen können. Welche Maßnahmen hat das Land Steiermark gesetzt, um die Menschen zu entlasten und den Konsum zu unterstützen?

LH Drexler: Das dichte Netz an Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung, aber auch die Anti-Teuerungsmaßnahmen des Landes zielen vor allem darauf ab, die gestiegenen Lebenserhaltungskosten bestmöglich abzufedern und in den Bereichen Wohnen, Energiekosten und im täglichen Leben für Entlastung zu sorgen. Damit wollen wir gezielt helfen und auch einen Beitrag dazu leisten, die Kaufkraft zu erhalten. 

Gibt es auch Maßnahmen, die direkt der Wirtschaft zugutekommen?

LH Drexler: Die Bundes- sowie die Landesregierung haben eine Reihe von Maßnahmen für die Wirtschaft auf den Weg gebracht. Ich greife zum Beispiel den Energiekostenzuschuss auf, mit welchem die Bundesregierung gezielt auf die gestiegenen Energiepreise reagiert hat, um die Energiekosten für Unternehmen abzufedern. Diese Maßnahme entlastet vor allem energieintensive Unternehmen und ist daher insbesondere für die Steiermark von großer Bedeutung. Oder die Förderungsaktion „Lebens!Nah“ mit der wir es uns in der Steiermark zum Ziel gesetzt haben, vor allem die regionale Wirtschaftskraft zu stärken und gezielt regionale Betriebe des täglichen Bedarfs, vom Handel über das Handwerk bis zum Nahversorger, bei Investitionsmaßnahmen zu unterstützen und zu fördern.

Besonders der innerstädtische Handel ist vielerorts stark unter Druck. Im Vorjahr hat das Land Steiermark einen sogenannten Ortskernkoordinator eingesetzt, der die Wiederbelebung von Ortskernen vorantreiben soll. Kann nach einem Jahr schon eine erste Zwischenbilanz gezogen werden?

LH Drexler: Stefan Spindler ist in seiner Rolle als Ortskernkoordinator die zentrale Anlaufstelle für Gemeinden und regionale Entscheidungsträger für alle Fragen rund um die Entwicklung von Zentren. Er hat bereits mit rund 110 Gemeinden ausführliche Gespräche geführt und arbeitet ausgehend davon mit seinem Team an ersten konkreten Umsetzungsprojekten. Ein wichtiger Schwerpunkt der Ortskernkoordination ist die Bündelung aller Unterstützungsmöglichkeiten, die sich mit Ortskernstärkung befassen, um so rasch wie möglich passende Förderungen für Gemeinden auszuloten.

LH Drexler: “Zahlreiche Unternehmen ergreifenbereits von sich aus Maßnahmen, um noch nachhaltiger und grüner zu werden.” © Land Steiermark

Warum sind „starke Zentren“ so wichtig?

LH Drexler: Florierende Orts- und Stadtkerne sind entscheidend für die regionale Wirtschaft und die Lebensqualität der Menschen vor Ort. Denn ohne lebendige Ortszentren drohen viele Städte und Gemeinden nachhaltig und dauerhaft Schaden zu nehmen. Daher ist es unser Ziel, die Orts- und Stadtkerne als öffentliche Orte der Begegnung zu entwickeln. Die Stärkung von Orts- und Stadtkernen ist eine Schlüsselfrage für eine nachhaltige Entwicklung in der Steiermark.

Kann dieses Modell als Vorbild für andere Bundesländer dienen?

Drexler: Auf jeden Fall! Das Interesse an unseren Ortskernkoordinator geht weit über die Grenzen der Steiermark hinaus.

Als eine der Maßnahmen gegen die Bodenversiegelung haben Sie im Vorjahr die Raumordnung nochmals verschärft. Im Handel müssen Gebäude mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsflächen nun mindestens zweigeschoßig gebaut werden. Wie war denn die Reaktion aus dem Handel darauf?

LH Drexler: Ich denke, gerade im Handel ist ein großes Bewusstsein für die Thematik des zu hohen Bodenverbrauchs und für vermehrten Umweltschutz da. Man sieht ja auch, dass zahlreiche Unternehmen einen bewussten Schwerpunkt auf den Umweltschutz setzen und bereits von sich aus Maßnahmen ergreifen, um noch nachhaltiger und grüner zu werden.

Sie waren einige Jahre auch Landesrat für Wissenschaft und Forschung. Wie können Forschungs- und Bildungseinrichtungen den Handel befruchten? Gibt es dafür Vorzeigebeispiele in der Steiermark?

LH Drexler: Eine aktuelle Studie, die vom Institut für Wirtschafts- und Standortentwicklung erstellt wurde, belegt in mehrfacher Hinsicht die volkswirtschaftliche Bedeutung der steirischen Hochschulen für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Steiermark. Demnach tragen die neun steirischen Hochschulen auf direkte Weise zur Wertschöpfung und Beschäftigung im Land bei. Zudem ist die Kooperation der Unternehmen mit den Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen in der Steiermark herausragend und für die Forschung, aber gerade auch für den Wirtschaftsstandort enorm gewinnbringend.

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