Die Pleitewelle rollt

Die Pleiten haben laut AKV im 1. Halbjahr deutlich zugenommen – besonders im Handel. Für das 2. Halbjahr droht noch eine deutliche Verschärfung der Entwicklung. Handelssprecher Rainer Will fordert effektive Maßnahmen der Bundesregierung.

Hans Musser, Geschäftsführender Direktor Alpenländischer Kreditorenverband (c) AKV

Der Kreditschutzverband AKV hat die Insolvenzstatistik für das 1. Halbjahr 2023 veröffentlicht. Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Mit 1.548 Insolvenzen gab es ein Plus von 12,09 % zur Vorjahresperiode, das ist in etwa so viel wie im Vor-Corona-Jahr 2019 (1.534).
  • Die größte Insolvenz bisher war Kika/Leiner mit Passiva von 132 Mio. Euro und rund 3.300 bedrohten Stellen. Damit schafft es der Möbelhändler auch unter die Top 3 der größten Insolvenzen seit den 1980er-Jahren. Die zweitgrößte Insolvenz des bisherigen Jahres (nach Zahl der Arbeitsplätze) war jene von Forstinger.
  • Nach Branchen entfielen zwar die zahlenmäßig meisten eröffneten Firmeninsolvenzen auf den Bausektor (408), dicht gefolgt vom Handel Handel (384). Doch sowohl was die Passiva (436 Mio. Euro) als auch was die Dienstnehmer (4.217) anbelangt, ist der Handel die weitaus am stärksten von Insolvenzen betroffene Branche. Gegenüber dem 1. Halbjahr des Vorjahres (329) ist die Zahl der Handels-Insolvenzen um 16,7 % gestiegen.
  • Gemeinsam mit dem Bausektor sei der Handel am stärksten von „neuartigen Insolvenzursachen“ wie der hohen Inflation, den gestiegenen Kreditraten, gestiegenen Material- und Produktionskosten betroffen, heißt es von den Gläubigerschützern.
  • In Bezug auf den Handel betont man beim AKV, „dass dieser bereits während der Corona-Pandemie mit Umsatzeinbrüchen konfrontiert war. Die hohen Energiekosten und die damit einhergehende Inflation sowie die Kostensteigerungen führten zu einem Kaufkraftverlust und einem reduzierten Konsumverhalten bei Kunden.“ Die Folge seinen vor allem im 2. Quartal Insolvenzen namhafter Handelsunternehmen gewesen, darunter die Kika/Leiner-Gruppe, der Sporthändler Geomix oder Schneiders Bekleidung (der allerdings in erster Linie der Industrie zuzurechnen ist und den Einzelhandel eher nebenher betreibt; Anm.). „Dieser Trend wird sich auch im 2. Halbjahr 2023 fortsetzen und dokumentiert sich in den Insolvenzen von Forstinger und Tally Weijl, welche in der ersten Juli-Woche 2023 eröffnet wurden“, so der AKV weiter. Erst gestern gab es mit der Hanf-Shop-Kette Bushdoctor die jüngste größere Handels-Insolvenz.
  • Betont wird gleichzeitig, dass sich auch deutsche Insolvenzverfahren (etwa bei Salamander/Delka) in Schließungen österreichischer Filialgeschäfte niederschlagen.
  • Im Jahresverlauf erwartet der AKV eine weitere Zunahme bei den Firmenpleiten: „Die eingetrübte Wirtschaftslage lässt auch im nächsten Halbjahr keine Entspannung bei den Firmeninsolvenzen erwarten, sodass der AKV mit circa 5.500 Firmeninsolvenzen im Gesamtjahr 2023 rechnet.“ Damit werden für das 2. Halbjahr also zwei bis drei Mal so viele Pleiten erwartet wie im 1. Halbjahr. Für das Jahr 2022 hatte der AKV die Zahl von 4.967 Firmeninsolvenzen gemeldet. Das bedeutet also ein erwartetes Plus von 10,7 %.
  • Zugelegt haben auch die Privatkonkurse mit 4.547 und einem Plus von 5,18 % im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022. Die Zahl liegt jedoch weit unter den Werten der 1. Halbjahre der Jahre 2018 (5 475) und 2019 (5 066).

Forderungen des Handelsverbands

Umso wichtiger wäre es, dass die Bundesregierung jetzt Taten setzt. Insbesondere am Arbeitsmarkt sowie bei den Kosten- und Abgabenbelastungen muss nachgebessert werden. Der Handelsverband hat sowohl auf die drohenden Entwicklungen als auch auf die erforderlichen regulativen Schritte immer wieder hingewiesen. Effektive Maßnahmen sind bis dato ausgeblieben.

“Alleine heuer ist der Handel auf Mehrkosten in Höhe von 486 Mio. Euro sitzen geblieben. Milliardenschwere Hilfszahlungen gab es nur für die Industrie. Unsere Händler warten immer noch auf einen Energiekostenzuschuss, der diesen Namen auch verdient. Der Energiekostenzuschuss 1 war de facto ein reiner ‘Industriekostenzuschuss’. Der Energiekostenzuschuss 2 wurde uns zu Weihnachten 2022 versprochen, passiert ist bis heute nichts“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. “Zwar sind die Großhandelspreise für Energie inzwischen gesunken und die Speicherstände haben sich wieder deutlich entspannt. Doch Regulative für den Energiemarkt stehen weiter aus – Stichwort Reform des Merit-Order-Systems. Damit droht für den kommenden Winter, dass es abermals zu einem Marktversagen kommt. Das ist derzeit eine der größten Sorgen des Handels“, so der Handelssprecher abschließend.

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