Legal Update #42: Das Recht auf Reparatur – EU möchte gegen Elektroschrott vorgehen

Die Entwicklung zur Wegwerfgesellschaft ist zunehmend problematisch. Ist die Waschmaschine, der Wasserkocher oder das Smartphone kaputt, wird idR neu gekauft anstatt repariert. Dies stellt ein wachsendes Problem für Mensch und Umwelt dar. Laut EU-Kommission fallen durch das Wegwerfen von reparierbaren Geräten jedes Jahr 35 Millionen Tonnen Müll in der EU an. Elektro- und Elektronikschrott ist der am stärksten zunehmende Abfallstrom in der EU; weniger als 40 % des gesamten Elektro- und Elektronikabfalls in der EU wird recycelt.[i] Um Umweltbelastungen zu reduzieren und Nachhaltigkeit zu fördern, hat die Kommission im März 2020 den neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft verabschiedet.[ii] Teil dieses Aktionsplans ist das EU-weite “Recht auf Reparatur”, welches am 22.3.2023 in Form eines Richtlinienvorschlags der Kommission konkret Gestalt annahm.[iii] Um einen Wandel hin zu nachhaltigem Konsum voranzutreiben, nimmt der Entwurf Verkäufer und Hersteller in die Pflicht.


1. Maßnahmen: Reparaturvorrang, Informationsplattform uvm

Das Kernstück des Entwurfs der Kommission bildet das Recht auf Reparatur, welches sowohl innerhalb als auch außerhalb der gesetzlichen Gewährleistung gilt. Der Vorschlag sieht vor, dass im Falle des Defekts eines Elektrogeräts innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist der Verkäufer verpflichtet ist, eine Reparatur anzubieten. Die Reparatur hat unabhängig vom Willen des Kunden zu erfolgen, sodass ein “Reparaturvorrang” besteht. Das Recht des Verbrauchers auf Reparatur ist somit vielmehr eine Pflicht des Verkäufers zur Reparatur. Diese gilt ausnahmsweise nicht, wenn die Reparatur nachweislich teurer ist als ein Austausch “Alt gegen Neu”.

Nicht nur innerhalb des gesetzlichen Gewährleistungsrechts, sondern auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist soll die Reparatur defekter Elektroprodukte attraktiver werden. Aus diesem Grund sieht der Entwurf folgende Maßnahmen vor:

  • Herstellerpflicht: Anspruch des Verbrauchers gegenüber Herstellern auf Reparatur von Produkten, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind. Darunter fallen etwa Waschmaschinen und Fernsehgeräte. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass sich der Verbraucher jederzeit an jemanden wenden kann, wenn er eine Reparatur anstrebt. Gleichzeitig sollen dadurch Hersteller dazu bewegt werden, nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln;
  • Informationspflicht: Korrespondierend zur Reparaturpflicht hat der Hersteller über seine Verpflichtung zur Reparatur zu informieren. Die Informationen sind leicht zugänglich zu machen sowie klar und verständlich zu erteilen;
  • Matchmaking-Plattform: Auf Ebene der Mitgliedstaaten soll eine Online-Plattform etabliert werden, die Verbraucher mit Reparaturwerkstätten zusammenbringt und für instandgesetzte Waren wirbt. Hierdurch soll den Verbrauchern die Suche nach Standorten und Qualitätsstandards ermöglicht und die Sichtbarkeit von Reparaturbetrieben erhöht werden;
  • Europäisches Reparaturinformationsformular: Die Verbraucher sollen von jedem Reparaturbetrieb die Aushändigung eines Kostenvoranschlags (Preis und Bedingungen) für die Reparatur in einem standardisierten Formular verlangen können. Hierdurch soll Transparenz in Bezug auf die Reparaturbedingungen und den Preis geschaffen werden und der Vergleich von Reparaturangeboten erleichtert werden;
  • Freiwilliger Qualitätsstandard: Die Kommission plant die Entwicklung einer europaweiten Norm für Reparaturdienstleistungen. Hierbei soll es sich um einen europäischen (Mindest-)Qualitätsstandard für Reparaturdienstleistungen handeln, dem sich Reparaturbetriebe freiwillig unterwerfen können.

2. Ausblick

Mit dem Vorschlag möchte die EU-Kommission einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit tun. Es bleibt abzuwarten, ob der Vorschlag der Kommission in der derzeitigen Form in Kraft treten oder Änderungen unterliegen wird. Der Entwurf freilich noch vom Europaparlament und Rat angenommen werden. Die Zeichen stehen aber auf Wandel, weshalb davon auszugehen ist, dass das Recht auf Reparatur – mit mehr oder weniger großen Anpassungen – wohl kommen wird. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob das Recht auf Reparatur nur für Elektrogeräte gelten wird, oder auch andere Produktkategorien erfasst sein werden. Auf Verkäufer und Hersteller von Elektrogeräten kommen wiederum und mit höchster Wahrscheinlichkeit neue Pflichten zu. Zum Timing: Das europäische Gesetzgebungsverfahren dauerte zwischen 2009 und 2014 im Durchschnitt 19 Monate.[iv] Vor 2025 ist wohl nicht mit einem Recht auf Reparatur zu rechnen.     


[i] Siehe https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20201208STO93325/elektroschrott-in-der-eu-zahlen-und-fakten-infografik (zuletzt abgerufen am 3.4.2023).

[ii] Siehe https://environment.ec.europa.eu/strategy/circular-economy-action-plan_en (zuletzt abgerufen am 3.4.2023).

[iii] Der Vorschlag ist abrufbar unter https://commission.europa.eu/system/files/2023-03/COM_2023_155_1_EN_ACT_part1_v6.pdf (zuletzt abgerufen am 3.4.2023).

[iv] Siehe https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/europa/wie-funktioniert-europa/die-gesetzgebung-der-europaeischen-union#:~:text=F%C3%BCr%20die%20erste%20Lesung%20des,Gesetzgebungsverfahren%20im%20Durchschnitt%2019%20Monate (zuletzt abgerufen am 3.4.2023).

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