Daniel Landau: „Die Lehre sollte anstrebenswert sein.“

retail durfte Daniel Landau in seinem Café „Tachles“ zu einem Interview treffen. Gesprochen wurde über die Corona-Zeit, seine Aktionen für die Ukraine und seinen Beruf als Bildungskoordinator. Der Bildungsaktivist gibt Einblicke in seine Schulzeit und erzählt uns von seinen Wünschen an die Politik.

retail: Wir haben uns nicht zufällig im Cafe Tachles getroffen – Du bist ja ein Inhaber davon. Wie ist es dazu gekommen, dass Du ein Café eröffnest, und was hat es mit dem “Caffe Sospeso”-Prinzip auf sich?

Landau: Wir haben das Lokal zu dritt übernommen, die beiden anderen sind eine Gastronomin und ein Gastronom. Ich bin zwar keiner, aber es war schon immer ein Kindheitstraum von mir, ein eigenes Lokal zu besitzen, darin andere Menschen begrüßen zu dürfen, Gastgeber sein zu können. Einfach für Menschen Räume zur Verfügung stellen zu können, mit einer Atmosphäre wo sich alle wohlfühlen.

Zum Sospeso-Prinzip muss ich gleich vorab sagen, dass wir das im Moment – seit 2016 – aussetzen. Dafür sammeln wir aber für Monatskarten für Asylwerber:innen, da diese ansonsten einfach nicht die Mittel haben, um sich Mobilität leisten zu können.

retail: Auch sonst fällst du immer wieder mit sozialen Aktionen auf. Unter anderem hast du das Lichtermeer #YesWeCare mitinitiiert, welches den Menschen, die an Covid-19 erkrankt oder gar verstorben sind gedenken sollte. Wie war die Pandemiezeit generell für dich?

Landau: Geschäftlich, für unser Lokal, war es auf jeden Fall eine schwierige Zeit. Es hat auch danach wieder relativ lange gedauert, bis sich Menschen wieder in Lokale getraut haben. Das habe ich aber verstanden, mir ist es nicht anders gegangen. Jetzt läuft es wieder gut.

Privat war ich sehr privilegiert während der Corona-Zeit. Privilegiert, da ich alleinstehend bin. Ich habe zwar keine große Wohnung, aber für mich allein war es viel Platz. Bei anderen musste die ganze Familie zu Hause sein. Die Kinder durften nicht in die Schule. Viele davon haben jetzt sicher ein bis zwei Jahre Bildungsrückstände, wenn zu Hause nicht genug geholfen werden konnte. Also ich würde sagen, ich darf mich wirklich nicht beschweren.

retail: Du hast ja nicht „nur“ das Lichtermeer mitorganisiert, sondern auch das #YesWeCare Benefizkonzert für die Ukraine. Wie ist es dazu gekommen und wie ist es anzusehen, wenn eine gute Sache, die man selbst organisiert und initiiert hat, soviel Anklang findet und so viele Menschen zu einem solchen Event kommen?

Landau: Also im Nachhinein ist es natürlich sehr schön. Das Gefühl, etwas beigetragen und Geld für die Unterstützung der ukrainischen Kinder gesammelt zu haben. Entstanden ist das Ganze, da mich junge Musiker (unter anderem „C FREUDE“) angesprochen haben, dass sie etwas beisteuern wollen. Im Rückblick betrachtet ist es dann sehr schnell zu diesem viel zu groß dimensionierten Konzert am Heldenplatz gekommen, bei dem dann auch über 100.000 Menschen waren.

Aber solche Veranstaltungen funktionieren einfach nur, weil so viele Menschen freiwillig helfen. Sei es die Bookingfirma, die die Künstler:innen vermittelt und diese dann auch kostenlos auftreten oder der Bühnenaufbau, der auch übernommen wurde. Das Ganze ist dann innerhalb eines Monats von 0 auf 100 gegangen und wurde damit auch eines der verrücktesten Dinge, die ich je gemacht habe. Der Bookingfirma Arcadia und System Provider für die Unterstützung beim Bühnenbau möchte ich auf diesem Weg auch noch einmal herzlich danken.

retail: Nun bist Du Bildungskoordinator für ukrainische Schutzsuchende. Wie kam es dazu, dass Du diese wichtige Rolle bekommen hast, und welche konkreten Maßnahmen setzt du dabei um?

Landau: Ich versuche alle beteiligten Player im Bildungsbereich, beginnend von Kindergärten über Schulen bis hin zu den Bildungsdirektionen und zum Bildungsministerium, miteinander in Kontakt zu bringen. Dabei möchte ich die ukrainischen Kinder bestmöglich mit Schulplätzen versorgen. Man muss in Zuge dessen auch den Lehrer:innen einen Dank aussprechen, die unter unglaublichem Mehraufwand während eines Pädagog:innen-Mangels die schulpflichtigen Kinder optimal versorgen.

Ich möchte aber auch bei außerschulischen Maßnahmen helfen. Vielfältige Möglichkeiten möchte ich bei Kunst und Kultur, aber natürlich auch bei Sport und Bewegung bieten. Dazu gekommen bin ich, da mich der Flüchtlingsbeauftragte gefragt hat, ob ich ihm im Bildungsbereich unterstützen kann.

retail: Dich, in deiner Rolle als Bildungsaktivist müssen wir natürlich fragen: Welche Erfahrungen hast Du aus deiner Schulzeit? Was sollte dringend geändert werden und was hat sich seitdem bereits geändert?

Landau: Ich hatte das Glück, dass ich mir als Schüler sehr leicht getan und schnell gelernt habe. Mir war aber bereits damals bewusst, dass nicht alle dieses Glück haben. Es hat sich natürlich bereits einiges geändert, aus meiner Sicht allerdings zu wenig.

Kinder werden nach wie vor an Hand ihres Defizits getrennt und Schüler:innen müssen sich immer damit auseinandersetzen, was sie NICHT können. Ich würde mir wünschen, dass weitere Fähigkeiten, wie Bewegung und Sport, Gesundheit und kreative Fächer wichtiger werden und nicht nur dieses reine Faktenwissen im Vordergrund steht. Es gibt also schon noch einiges zu tun, auch wenn die Zeit natürlich nicht stillgestanden ist.

retail: Wie stehst Du generell zu einer Lehre? Gute Sache oder sollte man auf alle Fälle eine höhere Ausbildung anstreben? Kennst Du Best Practice Beispiele im Bereich der Lehre? Vielleicht aus anderen Ländern?

Landau: Die Lehre ist unabdingbar wichtig. Das hat man auch gerade während der Covid-Pandemie gesehen. Die Berufe, die das Leben aufrechterhalten und damit essentiell sind, sind einfach oft Lehrberufe. Das muss aber natürlich auch Hand in Hand damit gehen, dass Lehrlinge bessere Arbeitsbedingungen und Löhne erhalten und damit auch eine höhere gesellschaftliche Anerkennung finden.

Die Lehre mit Matura oder auch mit anderen Zusatzausbildungen zu kombinieren ist sicher ein guter Weg, aber ich denke, dass es noch wichtiger wäre, die Berufsfelder neu zu definieren und die Verantwortungsbereiche größer zu machen. Natürlich nur für die Lehrlinge, die das wollen.

Bei den Best Practice Beispielen bin ich leider überfragt – denn bei der Lehre bin ich selbst noch ein Lehrling. Ich bin aber im stetigen Austausch, wie man sie besser servicieren und unterstützen kann. Die Lehre soll nicht die letzte Option sein, wenn man sonst nichts anderes bekommt, sondern die Lehre sollte anstrebenswert sein.

retail: Im Handelsverband läuten wir heuer das „Jahr der Nachhaltigkeit“ ein. Da du ein so engagierter Mensch bist, interessiert uns natürlich deine Einschätzung. Was hältst Du von doch eher extremen Aktionen, die unter anderem „Die letzte Generation“ starten, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen? Stichwort „Klimakleber“.

Landau: Das ist natürlich ein explosives Thema. Ich habe vollstes Verständnis für die Jugend, dass sie sich für die Umwelt engagiert und auch, dass jetzt zu solchen Methoden gegriffen wird. Natürlich nur so lange keine Sachbeschädigung vorliegt. Andererseits verstehe ich auch, dass das manchen Menschen auf die Nerven geht. Aber wofür sie eben stehen und warum sie auf die Straße gehen, das sehe ich als eine Form von Notwehr. Man kann natürlich immer um die Mittel und Methoden diskutieren und ich stehe auch nicht hinter allem – die Vorfälle mit den Kunstwerken kann ich nicht voll unterstützen.

retail: Zum Abschluss haben wir noch drei schnelle, aber persönliche Fragen an Dich:
Dein Bruder ist Präsident der Caritas. Welche Rolle spielt Religion in deinem Leben? In deiner Kindheit, aber auch jetzt?

Landau: Unsere Eltern waren nicht sehr religiös, aber gläubig. Sie haben uns zum Beispiel immer gezeigt, dass man bei Unrecht nicht wegschauen darf und dass das Leben einen höheren Sinn hat. Ich bin sicher nicht so religiös wie mein Bruder, aber ich würde mich sicher als gläubig erachten.

retail: Kaufst Du lieber online oder stationär?

Landau: Lieber würde ich sagen vor Ort, aber online ist natürlich extrem praktisch.

retail: Was ist dein Wunsch an die Politik fürs Jahr 2023?

Landau: Mein Wunsch an die Politik ist jedes Jahr derselbe. Nämlich, dass es eine Politik gibt, die sich als allererstes an den Menschen orientiert, die darauf angewiesen sind. Und natürlich auch, dass Themen wie Kindergesundheit, Kinderschutz und Kinderrechte noch mit wesentlich mehr Leben erfüllt werden.

Daniel Landau absolvierte Ausbildungen als Dirigent, ist Magister der Betriebswirtschaftslehre, Diplompädagoge (Pflichtschullehrer) für Musik und Mathematik und Gründer zahlreicher Bildungsinitiativen, u.a. Bildungsvolksbegehren zukunft.bildung und jedesK!ND.
Fotocredit (c) Louai Abdul Fattah

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