Erforscht: Der ROPO-Effekt in der Modebranche

Die Digitalisierung, die Auswirkungen der Corona-Pandemie und der Wertewandel haben Einfluss auf das Kaufverhalten im Handel. Der Kaufprozess wurde vernetzter, die Vertriebskanäle stationärer Handel und Online-Shop werden von den Konsumentinnen und Konsumenten in Kombination genutzt. Man recherchiert online und kauft dann im Geschäft, oder in umgekehrter Reihenfolge. Vor diesem Hintergrund setzt der Einzelhandel auf einen integrierten Omni-Channel-Ansatz, um für die möglichen Käufer:innen das Informations- und Einkaufsverhalten in den Phasen entlang der Customer Journey abzudecken. Lisa Ehold hat in ihrer Masterarbeit an der Fachhochschule St. Pölten den ROPO-Effekt im Modehandel untersucht.

Der Einzelhandel ist die primäre Schnittstelle für den Kontakt mit Kundinnen und Kunden. Der in der  Vergangenheit gelernte Weg in die stationäre Filiale, um sich vor dem Kauf beraten zu lassen, wird stärker von Online-Recherche begleitet. Damit verbunden können sich die Kontaktpunkte bis zur Entscheidung vom Ort des endgültigen Kaufakts abkoppeln. Der „ROPO-Effekt“ befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen stationärem und digitalem Handel bzw. dem Wechseln der Vertriebskanäle im Zeitablauf der Phasen Recherche bis Kauf. Der Effekt kann in beiden Richtungen laufen: „Research online, purchase offline“ beginnt als sogenanntes Webrooming im Internet und endet im stationären Geschäft, „Research offline, purchase online“ startet als sogenanntes Showrooming in der Filiale und endet im Online-Shop. Dieses hybride Shopping mit einen Channel-Hopping und einer verwobenen Kaufentscheidung erfordert vom Einzelhandel integrierte und kanalübergreifende Konzepte für ein positiven Einkaufserlebnis.

Ausgewählte Ergebnisse der internationalen Forschung

Der ROPO-Effekt und der mögliche Einfluss auf das Konsumentenverhalten waren in den letzten Jahren wiederholt im Zentrum der Forschung. Es gibt mehrere Studien im asiatischen Raum bzw. in den USA und Europa.

Exemplarisch für vorhandene internationale Studien wird die Untersuchung von Aw, Kamal, Basha, Ng und Hon in Malaysia im Jahr 2021 angeführt. Deren Forschung befasste sich beim Schwerpunkt Webrooming auf die kanalbezogene Faktoren Nützlichkeit von Online-Rezensionen, Bequemlichkeit der Online-Suche, Hilfsbereitschaft der VerkäuferInnen im Geschäft bzw. das wahrgenommene Risiko bei Online-Käufen. Es gab eine schriftliche Befragung an Universitäten und in Einkaufszentren. Die Ergebnisse zeigten, dass das Bedürfnis nach Interaktion, Bedürfnis nach Berührung und Preisvergleich den Weg in die stationäre Filiale verstärkten. Zusätzlich ergab sich in der Studie für wahrgenommenes Risiko ein signifikantes Ergebnis, dieses ist insbesondere bei Erlebnisgütern größer.

Als Beispiel für eine europäische Untersuchung wird der Ansatz von Mróz-Gorgon und Szymanski betrachtet, sie untersuchten den ROPO-Effekt in der Bekleidungsindustrie in Polen in 2018. Methodisch bedienten sich die beiden eines standardisierten Online-Fragebogens, es wurden in Summe über 4.900 Personen befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass 33% der befragten Männer und Frauen das Internet zur Informationsbeschaffung vor dem Kauf nutzten. Beim Split nach Alter war die digitale Recherche bei jungen Menschen stärker vorhanden als bei Älteren. Bezogen auf den Einfluss des ROPO-Effekts wurde herausgefunden, dass es bei Personen mit geringer Nutzung des Internet pro Woche weniger Einfluss auf das Kaufverhalten bei Bekleidung gab. Die stärkste Wirkung gab es im Alter zwischen 25 und 33 Jahren mit regelmäßiger Internet-Verwendung.

Aktuelle Forschung zum ROPO-Effekt im Modehandel

Die bisherigen internationalen Untersuchungen bestätigen die Wirkung des ROPO-Effekts, insbesondere das Webrooming war Gegenstand der Forschung. Die Größe der Modebranche veranlasste zur vertiefenden Betrachtung des Verhalten in Österreichs. Eine regionale Untersuchung hängt auch damit zusammen, dass eine Studie der KPMG International aus dem Jahr 2017 Unterschiede bei den Faktoren der Kaufentscheidung zwischen Asien und Europa ergab. Die Ergebnisse zeigten, dass für Käuferinnen und Käufer in Asien der Preis weniger Bedeutung hat als die Marke und Online-Bewertungen.

Zum Schließen der Forschungslücke untersuchte Lisa Ehold die Faktoren mit Auswirkungen auf das Webrooming- und Showrooming-Verhalten bzw. den Unterschied zwischen Männern und Frauen. Bei der quantitativen Untersuchung im Rahmen der Masterarbeit des Jahres 2021 wurden 200 Personen nach Quoten- und Schneeballverfahren in Wien befragt, die Grundgesamtheit wurde im Alter auf Personen mit 20 bis 29 Jahren eingeschränkt.

Ergebnisse der empirischen Forschung

Die deskriptiven Ergebnisse der empirischen Untersuchung bestätigen zunächst das vernetzte Einkaufsverhalten. Beim Shopping von Bekleidung gab es bei den Befragten die höchste Zustimmung für das rein stationäre Informations- und Einkaufsverhalten, gefolgt vom reinen Einkauf im Online-Shop und dem Webrooming. Das Involvement beim Mode-Shoppen ist am stärksten geprägt von der Freude an Bekleidung, zusätzlich ging es den Befragten um die Aussage über die eigene Person und den Einfluss auf das Image. Beim Vergleich der Relevanz-Parameter beim Einkaufen lag die Wichtigkeit, die Produkte vor der Entscheidung anzugreifen, deutlich vor dem Stellenwert des Lesens der Online-Rezensionen.

Die Überprüfung der Hypothesen ergab zunächst keine signifikanten Ergebnisse für den Zusammenhang zwischen dem Produktinvolvement und der damit verbundenen Wahl von Web- oder Showrooming. Bestätigt wurde die Annahme, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis das Produkt zu berühren und dem verstärkten Webrooming gibt. Zusätzlich zeigen die Ergebnisse eine Bestätigung der Annahme, dass Männer häufiger Webrooming als Frauen betreiben.

Zusammenfassend erkennt man, dass das Vernetzen der Vertriebskanäle beim Recherchieren und Einkaufen von Modeartikeln regelmäßig gemacht wird. Bekleidung gehört zu den Kategorien, die man mit Freude und als Ausdruck der eigenen Person einkauft. Der starke Wunsch, die Ware auch zu berühren und zu probieren, führt zu einem vergleichsweise hohen Stellenwert der stationären Filiale mit haptischem Erlebnis in einem digitalen Umfeld. Vor diesem Hintergrund bestätigt das Webrooming mit dem Besuch einer Filiale nach einer Online-Recherche den ROPO-Effekt in der Modebranche.

Über die Verfasserin der Masterarbeit:
Lisa Ehold, BA MA hat die Masterarbeit im Master Studiengang Digital Marketing & Kommunikation der FH St. Pölten verfasst. Sie hat die organisatorische Leitung der ÖFB Frauen-Akademie beim Österreichischen Fußballbund (ÖFB). Hier gelangen Sie zu ihrem LinkedIn-Profil. (Fotocredit: (c) FH St. Pölten)

Über den Autor des Beitrags:
FH-Prof. Mag. Harald Rametsteiner hat die Masterarbeit als Betreuer begleitet, er ist Leiter des berufsbegleitenden Masterlehrgangs Digital Marketing der Fachhochschule St. Pölten. Mehr dazu hier.

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