Wolfgang Schalko: Wer’s glaubt…

Was vielen vielleicht nicht bewusst war, rückblickend aber nur allzu deutlich wird: Bis zum Ausbruch der Covid-Pandemie vor rund zweieinhalb Jahren haben wir sowohl gesellschaftlich als auch wirtschaftlich im „Schlaraffenland” gelebt: Im Grunde hat alles funktioniert, die Welt war weitestgehend das, was gemeinhin als „heil“ bezeichnet wird. Die Sorgen und Nöte von heute schienen undenkbar.

Corona bedeutete einen tiefen Einschnitt in diesen „Trott”, der aus Sicht der breiten Masse gerne ewig so weitergehen hätte können. Neben den gesundheitlichen Risiken waren es insbesondere die wirtschaftlichen Folgen, die – bedingt durch Maßnahmen vom Lockdown bis zur Maskenpflicht – für Unsicherheit sorgten. Der damalige Finanzminister Gernot Blümel versprach zur allgemeinen Beruhigung breit angelegte Hilfs- und Förderpakete, der Sager „Koste es, was es wolle” ist legendär. Dass es sich dabei um populistischen Unsinn handelt dürfte mittlerweile ebenso unbestritten sein wie der Umstand, dass auch das Gießkannenprinzip so manches Pflänzchen im Trockenen lässt, während es andere regelrecht zu ersäufen droht.

Wie schnell und grundlegend sich Dinge ändern können, wissen wir spätestens seit dem heurigen Februar, als Wladimir Putin die russischen Truppen in der Ukraine einmarschieren ließ – und damit dem durch Corona ohnehin schon schwer in Schieflage geratenen Weltwirtschafts- und -handelssystem nochmals einen kräftigen „Schubs” verpasste. Zuvor war das Thema Inflation – nicht nur wegen den dominierenden Inhalten rund um Corona – bestenfalls eine Randerscheinung, die Versorgungssicherheit im Bereich Energie hätte kaum einer infrage gestellt. Heute sehen wir uns mit – zumindest für unsere Breiten – exorbitanten Teuerungsraten konfrontiert, Szenarien wie unbeheizte Wohnungen und unerschwingliche Tankfüllungen kursieren in den Medien. Stiegen viele Menschen während der Covid-Pandemie (die, nur so am Rande bemerkt, ja keineswegs vorbei ist) auf die Barrikaden, weil sie sich in ihren persönlichen Freiheitsrechten eingeschränkt bzw. bevormundet fühlten, so tun sie es jetzt, weil sie von existenziellen Ängsten geplagt werden und nicht mehr wissen, wie sie aus eigener Kraft ihr Dasein bestreiten sollen. Die Bedrohung hat eine völlig neue Qualität erreicht.

Unternehmen und insbesondere Handelsbetriebe bringen diese Entwicklungen massiv in die Bredouille: Während auf der einen Seite die Kosten für Energie, Miete, etc. ebenso steigen wie die Einkaufspreise in vielen Segmenten (Kosten, die sich allesamt nicht 1:1 an die Konsumenten weitergeben lassen), sinkt inflationsbedingt die Kaufkraft der Bevölkerung und auf aufgrund der unsicheren Zukunftsaussichten auch die Konsumlaune. Die Händler sitzen in der Kostenfalle.

Vorschläge, wie man diese wirtschaftlich wie gesamtgesellschaftlich immer prekärer werdende Situation entschärfen kann, liegen mittlerweile zu Hauf auf dem Tisch (Die Sinnfrage soll hier allein aus Platzgründen nicht im Einzelnen gestellt werden). Nun ist – einmal mehr – die Politik gefragt, entsprechende Maßnahmen und Hilfen (persönliche Anmerkung: treffsicher, bitte!) auf den Weg zu bringen. Was mich an all den momentanen Vorgängen so bedenklich stimmt, ist der kommunikative Aspekt: Noch immer erwecken die politischen Entscheidungsträger und insbesondere auch diverse Interessenvertretungen den Eindruck, man müsste nur an den „richtigen” Schrauben drehen und ein bisschen umverteilen, dann würden „wir“ (ein Begriff, der selten so bedeutungsschwanger war wie dieser Tage) schon unbeschadet aus der ganzen Sache herauskommen. Wer das immer noch glaubt oder andere glauben machen will, dem kann wohl getrost eine Wahrnehmungsstörung („fortgeschrittene Realitätsverweigerungsitis”) attestiert werden. Doch genau diese Wahrheit muss auch kommuniziert werden – offen und mit einer möglichst präzisen Abschätzung, was die aktuellen Entwicklungen für „uns” bedeuten werden. Das ist den Menschen nicht nur zumutbar, sondern das ist die Politik den Menschen (als ihre Wähler, denen einen solche Mündigkeit zumindest bis zum Gang an die Wahlurne zugestanden wird) auch schuldig.

Für viele Menschen wären die Inhalte einer solchen „echten Krisenkommunikation“ wohl zunächst ein Schlag ins Gesicht. Aber es würden damit jene Fakten geschaffen, die es für die Planungssicherheit braucht – ein elementarer Aspekt, wie jeder Unternehmer nur allzu gut weiß. Planungssicherheit bedeutet, sich auf die tatsächlichen Gegebenheiten einstellen zu können – womit den Händlern schlussendlich ebenso geholfen ist wie den Konsumenten. Schließlich geht es hier in weitere Folge um Produktauswahl, Sortimentsgestaltung, POS-Ausstattung u.Ä.

Trotz dieser aktuellen Widrigkeiten (von denen hier bei weitem nicht alle erwähnt wurden) stimmen mich zwei Dinge positiv: Erstens hat die längst überfällige Energiewende massiv an Fahrt gewonnen – was neben der Preis- und Versorgungsunsicherheit von heute auch in Hinblick auf die sich anbahnende Klimakrise eine entscheidende Rolle spielt. Zweitens ist – bei aller Jammerei – Österreich immer noch eines der reichsten Länder der Welt und wer mit offenen Augen durchs Leben geht, wird schnell feststellen, dass die „Schmerzgrenze” (zum Glück!) in vielerlei Hinsicht noch nicht erreicht ist: Es wird munter weitergequalmt, herumgefahren und freizeitmäßig konsumiert. Es wird uns also höchstwahrscheinlich nicht gelingen, die aktuelle Krisensituation völlig unbeschadet zu überstehen. Ebenso wahrscheinlich ist es aber auch, dass „unser” Wohlstand ausreichend ist, gewisse Abstriche zu verkraften, um „uns“ dennoch auch in Zukunft einen enorm hohen Lebensstandard zu sichern. Ich glaube, das muss einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden.

Zur Person:
Wolfgang Schalko ist E&W-Geschäftsführer sowie auch der Herausgeber und die Ressortleitung Multimedia.
Zu den Online-News: elektro.at/

Leave a Reply