Man soll bekanntlich ja nicht vorschnell urteilen, aber im Moment deutet vieles darauf hin, dass wir uns wieder einem Zustand der „Normalität“ nähern – wo man sich beim Begrüßen wieder die Hände schütteln oder umarmen darf und wo u.a. auch das alte, in den letzten zwei Jahren schmerzlich vermisste „Shopping-Feeling” wieder aufkommen kann. Maskenlos und ungezwungen.

Die entscheidende Frage lautet jedoch, ob es wirklich wieder so sein kann wie früher – und damit einhergehend, ob man sich das (als Händler:in) überhaupt wünschen soll. Und wenn ja, was passieren müsste, damit es auch eintritt. Ich befürchte nämlich, dass das sich gerade etablierende „New Normal“ nur bedingt gleich ist mit dem „Former Normal“. Für die Menschen, die Konsument:innen, mag sich vieles so anfühlen wie früher, aber die Rahmenbedingungen und Begleitumstände haben sich gravierend geändert – das zeigt sich sehr deutlich am Beispiel des heimischen Elektrohandels. Dieser gehörte zweifelsfrei zu den „Krisengewinnern“, da Investitionen ins Eigenheim zu einem rasanten Nachfrageanstieg führten (dass dieser wegen der Produktions- und Lieferkettenproblematik nicht in vollem Umfang bedient werden kann, steht auf einem anderen Blatt). Aufgrund der zeitweiligen Geschäftsschließungen und der nicht immer nachvollziehbaren, geschweige denn beliebten „Einkaufsregeln“ im stationären Handel, konnte dieser zwar insgesamt profitieren, aber weit weniger als etwa Internetriese Amazon, der seit mehreren Quartalen seine Aktionäre mit überproportionalen Wachstumszahlen verzückt.
Regionalitätskampagnen und „Kauf daheim“-Aufrufe mögen die Situation zwar verbessert haben und die Solidarität der heimischen Bevölkerung zu „ihren“ Händler:innen fördern, aber im Kern der Sache geht es um etwas wesentlich Fundamentaleres: Es braucht eine Art „POS-Attraktivierungsprogramm”. Den guten Grund (oder besser noch die guten Gründe), warum der stationäre Einzelhandel die erste Anlaufstelle bei der Kaufentscheidung (nicht zu verwechseln mit der Informationsbeschaffung) sein sollte. Dafür muss man dem Handel in Österreich aber auch die faire Chance geben, sich mit den internationalen Großkonzernen auf Augenhöhe zu messen. Das erfordert auf der einen Seite die entsprechenden Rahmenbedingungen (Stichwort Level Playing Field), insbesondere was Steuergerechtigkeit und Abgaben-/Gebührenaufkommen betrifft.
Auf der anderen Seite wäre es höchst an der Zeit für die umfassende Aufklärung der Konsument:innen: Käufe bei internationalen Online-Händler:innen wie Amazon & Co. bedeuten einen massiven Abfluss von Wertschöpfung und damit Kaufkraft. Wer vermeintlich billig kauft, kauft in diesem Fall also eigentlich richtig teuer – auf Kosten der nächsten Generationen. Hier wären ein paar Euros für eine entsprechende Informationskampagne – im Sinne des „koste es, was es wolle“ zur Überwindung der Pandemie und ihrer Folgen – gut angelegtes Geld.

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