650 Gemeinden in Österreich ohne Nahversorger? Projekt Land Partner der Österreichischen Post hat die Lösung.

(v.l.n.r.): Mag. Karl Wilfing, Präsident des Niederösterreichischen Landtages, Mag. Alfred Riedl, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, Christoph Veit, Bürgermeister von Ebenthal, Bundesministerin Elisabeth Köstinger, Post-Generaldirektor DI Dr. Georg Pölzl

Ein ganz besonderes Projekt der Post, der „Land Partner“, wurde erstmalig im Sommer 2020 vorgestellt. Es handelt sich dabei um eine Initiative von insgesamt 17 Kooperationspartner:innen: Gemeinden, die weder über einen Nahversorger noch über einen Post Partner verfügen, erhalten damit ein gebündeltes Angebot an Dienstleistungen. Die beiden Grundsäulen Lebensmittelhandel und Post Partnerschaft können dabei um weitere Partner:innen wie die Monopolverwaltung (MVG) oder die Österreichischen Lotterien ergänzt werden.

retail.at hat Alois Mondschein, Leiter des Zentralen Post Partner-Managements, zum Interview getroffen und sich über die neuesten Entwicklungen der Initiative „Land Partner“ erkundigt.

Handelsverband: Beschreiben Sie uns bitte das Projekt Land Partner, das im Sommer 2020 durch eine Initiative der Post gestartet wurde.

Mondschein: Entstanden ist die Initiative „Land Partner“, da die Post bei Interesse gerne noch in über 100 Gemeinden Post Partner installieren würde. Die Idee hinter dem Projekt war: In vielen Gemeinden gibt es aktuell keinen Nahversorger. Wir dachten also an eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Lebensmittelhändlern, um den Gemeinden zu ihrem eigenen Nahversorger zu verhelfen. Uns war bewusst, dass es schwierig sein wird, ein doch recht umfangreiches Projekt wie den „Land Partner“ in kleinen Gemeinden ins Leben zu rufen. Aber als wir erfuhren, dass einige Lebensmittelhändler sowieso die Strategie verfolgen, auch in kleinen Gemeinden wieder Lebensmittelmärkte zu eröffnen, hat man sich zusammengeschlossen.

Vor einigen Jahren gab es noch die Tendenz zu groß angelegten Projekten, wobei eine Verkaufsfläche von mindestens 500 m2, ein eigener Kreisverkehr und genügend Parkmöglichkeiten vorgegeben waren. Umso schöner die Überraschung, als unsere Partner dann auch Interesse an Gemeinden mit ca. 1.000 Einwohnern inklusive Einzugsgebiet und Verkaufsflächen von 150 m2 und weniger zeigten. Wäre dies nicht so gewesen, hätte der Land Partner nicht funktioniert.

Der Leitgedanke unserer Partner dabei war: „Wir müssen wieder zu den Kund:innen in die Gemeinde, nur dort können wir sie vom Mitbewerb abholen.“

Handelsverband: Wie wird man zum Land Partner?

Mondschein: Wichtig ist: Jeder Standort muss stets eigens evaluiert werden. Die Monopolverwaltung (Trafiken) und die Österreichischen Lotterien sind beim Projekt Land Partner an Bord, dennoch wird immer individuell entschieden, welches Angebot an welchem Standort Sinn macht. Die Kooperation mit der Monopolverwaltung geht von der Installation eines Zigarettenautomaten (Verkaufsautomaten) bis hin zu einer eigenen Trafik als Teil des Nahversorgers.

Grundsätzlich gilt: Die zwei Säulen Lebensmittelhandel und Post müssen vorhanden sein, denn nur ein Post Partner alleine ist noch kein Land Partner. Wichtig für dieses Projekt ist die stetige Unterstützung der Interessensvertretung wie dem Gemeindebund. Ohne Unterstützung der Gemeinde sind „Land Partner“ wirtschaftlich schwierig umzusetzen. Immerhin sprechen wir von kleinen Flächen und wenig potenziellen Käufer:innen.

Es gibt 4 Varianten, wie ein Land Partner der Post entstehen kann:

  1. Variante: Gemeinsamer Projektstart

Zunächst wurden unseren Kooperationspartner über 100 Standorte zur Evaluierung zur Verfügung gestellt. Wir wussten, dass es schwierig wird, Interessenten zu finden, doch auch hier gab bzw. gibt es welche.

  • Variante: Bürgermeister

Der Bürgermeister hört von der Initiative, die ja auch beim österreichischen Gemeindetag beworben wird und beschließt, dass Interesse in der Gemeinde besteht und die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. In dem Fall tritt er an das Zentrale Post Partner-Management heran und verkündet sein Interesse. Die Post übernimmt anschließend in ihrer Doppelrolle ihre Aufgaben als Koordinations- und Evaluierungsstelle. Es geht darum, die Frage zu klären, ob die Gemeinde tatsächlich einen Land Partner benötigt, denn eine Kannibalisierung der Nahversorger einer Nachbargemeinde gilt es zu verhindern.

  • Variante: Lebensmitteleinzelhandel

Bekundet ein Lebensmitteleinzelhändler Interesse, gibt die Post die Information an die Monopolverwaltung und die Lotterien weiter. Die Endentscheidung der Umsetzung liegt anschließend beim Lebensmitteleinzelhandel, dem Bürgermeister der Gemeinde und den möglichen Zusatzbetreibern.  

  • Variante: Privatperson mit Unternehmergeist

An einem Beispiel skizziert: Eine Verkäuferin eines Lebensmittelhändlers hat Unternehmergeist und möchte in ihrer Gemeinde einen eigenen Nahversorger betreiben, fragt sich aber, wie dies umzusetzen ist und an welche Stellen sie sich im Idealfall wendet. Beim Zentralen Post Partner-Management liegen sämtliche Informationen gesammelt auf, die bei Interesse gerne zur Verfügung gestellt werden. Somit muss sich die Interessentin nicht an verschiedene Stellen wenden. Im nächsten Schritt informiert die Post alle Vertragspartner weiter und evaluiert den Fall – bei grünem Licht kommen die möglichen Partner auf die Betreiberin zu, um alles Weitere abzuklären.  

Handelsverband: Warum trägt die Initiative so stark dazu bei, multifunktionale Nahversorger für die Menschen in der Region bereitzustellen?

Mondschein: Die Kooperation zwischen der Post, den Lebensmitteleinzelhändlern, der Monopolverwaltung und den Österreichischen Lotterien trägt dazu bei, dass Informationen schneller fließen. Zu den Kooperationspartnern auf der Seite des Lebensmitteleinzelhandels zählen: SPAR, Unimarkt, Nah&Frisch, Billa, ADEG, Handelshaus Wedel, Handelshaus Kiennast, die KASTNER Gruppe und MPREIS.

Das „Land Partner“-Projekt ist ein Netzwerk, welches das Selbstständigmachen erleichtert. Für einen Betreiber allein ist ein Projekt wie dieses wirtschaftlich nicht umsetzbar – in Kombination mit anderen wird es jedoch interessant. Doch fällt ein Baustein wie die Monopolverwaltung oder die Österreichischen Lotterien weg, wird es schon schwieriger, hier positiv zu bilanzieren.

Handelsverband: Wohin mussten die Gemeindebewohner:innen ausweichen, als es noch keine Nahversorgungsbetreiber in der Umgebung gab?

Mondschein: Bevor es den „Land Partner“ gab, mussten die Leute weitere Wege auf sich nehmen, zumindest in die Nachbargemeinde, um einzukaufen oder zur Post zu fahren. Das muss jetzt nicht mehr der Fall sein. Initiiert ein Bürgermeister ein Projekt wie den „Land Partner“, hat er natürlich Großes für seine Gemeinde geschaffen.

Handelsverband: Wie ist die Initiative bei den Gemeinden bislang angekommen?

Mondschein: Wenn wir die aktuellen Zahlen betrachtet, unter Berücksichtigung der durch COVID-19 aufgetretenen Verzögerungen, sieht man, dass vier Standorte bereits in Betrieb sind, sich fünf Standorte in der Umsetzung befinden und bei dreien die Verhandlungen laufen.

Wir sprechen hier über Gemeinden, die davor überhaupt keinen Nahversorger hatten. Damit hat dieses Projekt aus meiner Sicht schon jetzt viel erreicht. Denn der Weg, ein neues Unternehmen zu gründen, ist kein leichter – es ist ja nicht so, als würde man einfach eine neue Sitzgarnitur im Garten aufstellen.

Laut Gemeindebund gibt es aktuell 650 Gemeinden ohne Nahversorger. Das hat mich überrascht. Wäre ich Bürgermeister, würde ich auf jeden Fall einmal bei der Post eine unverbindliche „Land Partner“-Anfrage starten.

Handelsverband: Wie viele neue Standorte wurden im Zuge von Land Partner 2021 eröffnet und welcher Standort lohnt sich ganz besonders?

Mondschein: Die 5 Gemeinden in Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg, in welchen gerade ein neuer Nahversorger entsteht, sind:

  • Gersdorf an der Feistritz (Eröffnung war am 19. November 2021)
  • Gaflenz
  • Höhenhart
  • Garsen
  • Ravensburg

Insgesamt wurden damit neun Standorte (4 bestehende + 5 neue) durch den „Land Partner“ eröffnet. Zählen wir die drei dazu, die sich noch in Verhandlungen befinden, sind es 12.

Handelsverband: Was gibt es sonst noch Neues im Projekt Land Partner?

Mondschein: Ohne zu viel verraten zu wollen: Vielleicht gibt es in naher Zukunft auch SB-Partner, die den Menschen einen einfach Self-Checkout ermöglichen. Denn Selbstbedienungsläden sind die Zukunft.

Alois Monschein ist Leiter des zentralen Partnermanagements der Österreichischen Post AG. 

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