
Wie alle Jahre starten um diese Zeit nicht nur die Vorbereitungen fürs Weihnachtsgeschäft, sondern auch die Kollektivvertragsverhandlungen. Auf eine ähnliche rasche Einigung wie Vorjahr ist zwar zu hoffen, aber nicht unbedingt zu wetten – der pragmatische Ansatz lautete damals im Wesentlichen, die Inflation abzugelten und, wo möglich, eine Coronaprämie draufzulegen. Für die Angestellten im Handel bedeutete das ein Gehaltsplus von 1,5% und eine empfohlene Coronaprämie von 150 Euro.
Vertrackte Situation
Im Vorfeld der richtungsweisenden Lohnverhandlungen der Metaller forderten die Arbeitnehmer heuer ein Plus von 4,5% (!!). Doch unabhängig davon, welchen Richtwert diese für die weiteren Lohnrunden tatsächlich vorgeben werden, wird rasch die Crux an der Sache deutlich: Der Wert basiert auf einem Durchschnitt – allerdings ist der Handel ist kein homogenes Gebilde, das sich einfach so über einen Kamm scheren lässt. War er nie und wird er nie sein und gerade die Covid-Pandemie hat die Heterogenität nicht nur sehr klar zum Vorschein gebracht, sondern sogar noch massiv verstärkt. Es gab Krisengewinner und -verlierer, und egal welches Ergebnis die Verhandler diesmal erzielen – es wird mehr denn je für einen großen Teil ein „falsches“ sein, nämlich dahingehend, dass es die realen Gegebenheiten nicht adäquat widerspiegelt. Eine knifflige Konstellation, die es hier zu lösen gilt.
Imagepolitur erforderlich
Fakt ist: Der Handel hat ein Imageproblem – und damit in weiterer Folge ein Personal- sowie Nachwuchsproblem. Eine wesentliche Stellschraube, die Attraktivität des Berufs zu erhöhen, liegt – no na – in der Entlohnung. Was sich damit erreichen lässt, hat der Soziologe Martin Schröder in einer Langzeitstudie zur Lebenszufriedenheit von Männern und Frauen erhoben: Bis zu einem Betrag von ca. 2.000 Euro netto macht ein höheres Einkommen tatsächlich glücklicher und zufriedener, drüber hinaus nimmt der Effekt wieder ab. Weiters hat der Forscher herausgefunden, dass es nicht – wie oft vermutet – der fehlende Sinn ist, der das Glückslevel am meisten dämpft, sondern vielmehr Arbeitsplatzsorgen, hohes Arbeitspensum und/oder schlechte Aufstiegschancen. Aspekte wie diese sollte man bedenken, wenn es um den „kreativen” Teil der Lohnverhandlungen geht. Und eben nicht nur dort, sondern um Arbeitskräfte überhaupt für dieses Berufsfeld gewinnen und auch darin halten zu können – Lehrlinge ebenso wie Umsteiger.
Wie oben erwähnt, sind Handel und Handel zwei Paar Schuhe und ich denke, es ist höchste Zeit, hier endlich entsprechend zu differenzieren – auch in Bezug auf die „Außenwahrnehmung”: Gerade die beratungsintensiven Zweige, zu denen etwa der Elektro- und Einrichtungsfachhandel gehört, benötigen mehr denn je kompetentes und gut geschultes Personal. Die Zeiten, in denen man bloß im Geschäft „steht”, sind längst vorbei. Denn um sich von der immer stärker werdenden Online-Konkurrenz abzuheben, sind im „realen” Verkaufsgespräch mehr als die dortigen Standard-Produktbeschreibungen und 08/15-Aussagen notwendig. Die Basis dafür bilden Nachwuchskräfte, die ihr Handwerk beherrschen und mit persönlichen Stärken bereichern. Dahingehend gilt es, wo immer nur möglich, entsprechende Zeichen zu setzen. Zu zeigen, was diese Leistungsbereitschaft dem Arbeitgeber (natürlich stets unter Berücksichtigung des betriebswirtschaftlich Sinnvollen und Leistbaren) „wert” ist, ist ein solches Zeichen. Aber es kann und darf nicht das einzige sein.

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