Glacier will zur wirkungsvollsten Community im Bereich der CO2 Reduktion werden

Andreas Tschas | Gründer & CEO von Glacier

Andreas Tschas glaubt an die Veränderung. Der Gründer der Klimaschutz Plattform Glacier ist überzeugt davon, dass wir Menschen die Welt retten können, denn Lösungen gibt es schon, man müsse nur ins Tun kommen. Im Interview verrät Andreas von seiner Version, was es mit dem „Carbon Manager“ auf sich hat und was der österreichische Handel und die Konsumentinnen tun müssen, um unseren Planeten klimafreundlicher zu gestalten. Eines steht fest: Glacier hat große Pläne, macht vielversprechende Fortschritte und der Rückenwind, den das Team hinter dem Startup von vielen Seiten zu spüren bekommt, ist enorm.

Die Vision und Glacier´s „Climate Ranger“

HV: Als Mitgründer von Pioneers hast du dir in der österreichischen und internationalen Startup-Szene schon vor Jahren einen Namen gemacht. 2020 kam es dann zur Gründung von Glacier. Wie ist die Idee zu Glacier entstanden, was macht ihr da genau und wie lautet deine Vision?

Andreas Tschas: Als Vater zweier Töchter wünsche ich mir, dass sie in einer Welt aufwachsen, in der es sich zu leben lohnt. Mit meinem Freund und ehemaligem Pioneers-Mitstreiter Rainhard Fuchs haben wir uns überlegt, wie wir die Erfahrungen der vergangenen Jahre nützen und damit etwas verändern können. So entstand die Vision der wirkungsvollsten Community im Bereich der CO2 Reduktion. Bei Glacier geht es konkret um zwei Dinge, nämlich um aktive CO2 Reduktion und darum, das Bewusstsein für Klimaschutz in der DNA von Unternehmen zu verankern.

Ähnlich wie es bei der Digitalisierung der Fall war, werden Firmen sich mit der Transformation zur Nachhaltigkeit auseinandersetzen müssen. Sowohl von politischer Seite als auch von MitarbeiterInnen und KonsumentInnen steigt der Druck, sodass diese Entscheidungen nicht nur für unseren Planeten, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht essenziell sein werden.

Was uns bei Glacier aber ganz wichtig ist: Wir setzen auf jene Menschen, die lösungsorientiert denken und in ihren Unternehmen aktiv etwas bewegen möchten. Wir nennen sie „Climate Ranger“ und das können sowohl einfache MitarbeiterInnen als auch die Geschäftsführung sein. Wenn wir ihnen die richtigen Mittel in die Hand geben, sitzen sie an einem riesigen Hebel und können einen massiven Beitrag zur Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens leisten.

HV: Wir fragen uns, ob wirklich jedes Unternehmen ganz einfach die Welt retten kann. Gibt es Unternehmen bzw. Branchen, die Glacier spezifisch anspricht und erreichen möchte? Wer ist eigentlich eure Zielgruppe?

Andreas Tschas: Es kann jedes Unternehmen einen Beitrag leisten und gemeinsam können wir tatsächlich die Welt retten, denn die Lösungen gibt es ja schon, wir müssen nur ins Tun kommen. Dabei geht es nicht darum, alles perfekt zu machen – wenn man diese Transformation für Unternehmen in einfache Schritte herunterbricht, sind die Klimaziele für fast alle Firmen machbar.

Dass ein kleiner Zulieferer nicht den gleichen Fußabdruck hat wie ein großes Industrieunternehmen ist klar. Auch die Herausforderungen sind andere: Großen Firmen fällt es oft schwer, ihre MitarbeiterInnen zu überzeugen. Darum setzen wir auf den jährlichen Aktionstag „Climate Impact Day“ und Community- bzw. Weiterbildungsangebote.

Kleinere Firmen haben oft nicht das Budget für Nachhaltigkeitsbeauftragte und stehen vor einem undurchsichtigen Problem. Darum haben wir unseren digitalen „Carbon Manager“ entwickelt, der anhand vom Unternehmensprofil konkrete Reduktionsmaßnahmen vorschlägt und diese auch mit passenden Drittanbieterlösungen verknüpft.

HV: Was macht den Kern eurer Plattform Glacier aus? Warum glaubst du hat Glacier das Potenzial, erfolgreicher zu werden als andere Klima- oder Nachhaltigkeitsinitiativen wie z.B. die „Klimakonferenz der Vereinten Nationen“ oder „Fridays For Future“?

Andreas Tschas: Wir sitzen alle im selben Boot und die Initiativen, die du genannt hast, arbeiten auf anderen Ebenen als wir – sowohl Regierungen als auch Unternehmen und Privatpersonen sollten einen größtmöglichen Beitrag leisten, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen. Unser Ansatz ist im Vergleich aber grundlegend anders und darin sehen wir auch unser Potenzial: Wir zeichnen kein düsteres Bild, sondern zeigen ganz konkret und einfach, was und wie etwas getan werden kann.

In den letzten Monaten seit dem Launch von Glacier haben wir sehr viel Rückenwind bekommen und mittlerweile erreichen wir über 100.000 MitarbeiterInnen in mehr als 100 Unternehmen in ganz Österreich. Das zeigt, dass es sehr viele Menschen und Unternehmen gibt, die etwas bewegen wollen. Und es ist sehr menschlich, dass man nicht handelt, wenn man sich mit einem Thema allein gelassen fühlt. In einer Community motiviert man sich gegenseitig und lernt.

Klimawandel und der österreichische (Online) Handel

HV: Wenn es darum geht, wie nachhaltig der österreichische Handel ist, wie lautet deine Einschätzung dazu? Vor allem auch im internationalen Vergleich…

Andreas Tschas: Auf EU-Ebene gibt es Standards, Richtlinien und Kennzahlen, die einen internationalen Vergleich möglich machen. Im Handel gibt es in dem Zusammenhang Bereiche, in denen die Unternehmen direkt Einfluss nehmen können, wie den Energie-, Wasser- und Materialverbrauch sowie das Abfallmanagement. Dann gibt es andere Faktoren, die man nur zum Teil nur indirekt beeinflussen kann, wie Transport und Logistik oder Lieferketten.

Eine Studie von Deloitte in EU-Ländern im vergangenen Herbst hat gezeigt, dass nur 28% der befragten Unternehmen sich mit diesen indirekten CO2 Emissionen auseinandersetzen. Und obwohl das Bewusstsein bei Unternehmen steigt, dass etwas getan werden muss, investieren immer noch relative wenige und nur ca. die Hälfte haben sich konkrete Ziele gesetzt. Nur 8% davon haben Ziele, die im Einklang mit dem Pariser Abkommen stehen.[1]

Es ist ganz einfach: die Klimakrise können wir dann bewältigen, wenn jeder einen Beitrag leistet – unabhängig von Grenzen. Und weil wir unsere direkten CO2 Emissionen am einfachsten reduzieren können, sollten wir dort anfangen.

HV: Gerade jetzt in der Corona-Krise boomt der eCommerce Sektor. Bestellst du selbst auch hin und wieder bei Amazon, Wish & Co – oder sind die Online-Giganten ein rotes Tuch für dich, das du bewusst meidest?  

Andreas Tschas: Das Bewusstsein, wie wichtig lokaler Handel ist – aus Klimaschutzgründen, aber auch weil unsere Innenstädte und Dörfer dadurch mit Leben erfüllt werden – ist sicherlich auch bei mir über die Jahre gewachsen. In erster Linie versuche ich regional einzukaufen, wenn sich das nicht ausgeht, bestelle ich online und auch da versuche ich regionale Anbieter zu wählen. Ich beziehe zum Beispiel Lebensmittel sehr gerne bei Markta, aber auch Bücher bestelle ich vermehrt bei regionalen Buchhändlern. Ich würde aber lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nie bei Amazon bestelle – bei manchen Produkten gibt es leider noch keine Alternativen oder kompetitive Anbieter. Ich weiß aber, dass sich in dem Zusammenhang viel tut und ich glaube, dass hier das Monopol der Großen in Zukunft aufgebrochen wird.

Seid dabei beim Climate Impact Day am 21. September 2021

Auf der Website von Glacier wird ganz groß der Climate Impact Day angepriesen. Worum geht es dabei genau und was hat es mit dem Carbon Manager auf sich?

Andreas Tschas: Der Climate Impact Day ist ein Aktionstag für Unternehmen, der am 21. September 2021 zum ersten Mal in ganz Österreich stattfinden wird. Das Programm ist so gestaltet, dass man entscheiden kann, wie der Tag im Unternehmen vor Ort ablaufen wird. Es werden verschiedene Module und Formate von uns so aufbereitet, dass sie dann ganz simpel umgesetzt werden können. Ziel dabei ist es, das Thema Klimaschutz für MitarbeiterInnen möglichst greifbar zu machen und konkret Maßnahmen umzusetzen. Begleitet werden die Aktionen durch einen Livestream, mit Gästen wie der Bundesministerin Leonore Gewessler oder dem Leiter der ORF Wetterredaktion Marcus Wadsak. Zusätzlich gibt es auch die Möglichkeit, sich mit anderen Unternehmen und Lösungsanbietern zu vernetzen. Der Climate Impact Day soll der Auftakt für ein Umdenken sein und die Chancen, die mit Nachhaltigkeit einhergehen, aufzeigen. Wie vorhin schon erwähnt, haben schon jetzt hundert Unternehmen ihre Teilnahme zugesagt, darunter sowohl große Firmen wie A1, aber auch ganz kleine wie ein Wiener Würstelstand.

Im digitalen Carbon Manager können Unternehmen anhand von einfachen Fragen einen CO2 Fußabdruck erstellen. Das ist der Ausgangspunkt für jede Nachhaltigkeitsstrategie, denn zunächst muss man verstehen, wo man ansetzen kann. Darauf aufbauend schlägt der Carbon Manager Reduktionsmaßnahmen vor. Manche können schnell umgesetzt werden, bei anderen muss man mehr Zeit und auch Geld investieren. „Investition“ ist hier aber das Stichwort, denn viele Maßnahmen können langfristig Kosten senken. Ein klassisches Beispiel ist die Photovoltaikanlage. Aber auch einfache Änderungen wie die Temperatur des Kühlschranks können Strom und somit Kosten sparen. Mit den Maßnahmen sind dann auch kuratierte Drittanbieterlösungen verknüpft.

Unternehmen, die Teil der Glacier Community werden, bekommen eine Jahresmitgliedschaft, mit der sie sowohl am Climate Impact Day teilnehmen als auch den Carbon Manager nutzen können. Zusätzlich gibt es das Jahr über verschiedene andere Angebote für die Community Mitglieder, wie zum Beispiel Weiterbildungsmöglichkeiten.

HV: Inwiefern ist Glacier auch mit der Politik vernetzt? Auf eurer Plattform ist Leonore Gewessler zitiert und auch Monika Mörth, die Geschäftsführerin des Umweltbundesamts. Verfolgt Glacier eine bestimmte politische Ausrichtung?

Andreas Tschas: Wir holen uns Rat und Unterstützung von ausgewiesenen ExpertInnen, damit sich die Unternehmen auf unsere Daten und unseren Ratschlag verlassen können. Daher ist uns auch die Kooperation mit Institutionen wie dem Umweltministerium und dem Umweltbundesamt sehr wichtig. Parteipolitisch gesehen sind wir unabhängig. 

Glacier und seine internationale Zukunft

HV: Wie erklärst du dir, dass sich trotz der voranschreitenden Klimakrise noch so viele Unternehmen „davor drücken“, ökologische Verantwortung zu übernehmen? Vor allem vor dem Hintergrund, dass heutzutage eine „grüne Positionierung“ nachweislich gut für das Unternehmensimage ist und auch KonsumentInnen vermehrt Wert auf Nachhaltigkeit legen.

Andreas Tschas: Die Entwicklung geht ganz klar in die Richtung, dass klimaschädigende Handlungsweisen früher oder später sanktioniert werden. Die Transformation zur Nachhaltigkeit wird jedes Unternehmen erreichen und wie bei der Digitalisierung werden jene, die zu spät handeln, vom Markt verschwinden.

Unserer Einschätzung nach fühlen sich gerade kleine Unternehmen im Moment allein gelassen, da Investitionen, Nachhaltigkeitsbeauftragte und Unternehmensberatungen sehr teuer sein können und das Thema an sich sehr komplex ist. Wir wollen diese Hürde nehmen und zeigen, dass es ganz einfach sein kann, in die Gänge zu kommen und die richtigen Schritte zu setzen.

HV: Wie gestalten sich die Ziele von Glacier für 2021 und mit welchen Herausforderungen siehst du dich konfrontiert?

Andreas Tschas: Unser Ziel ist es, dass beim ersten Climate Impact Day 120.000 MitarbeiterInnen mit ihren Unternehmen teilnehmen. Die Corona-Krise ist dabei sicher weiterhin eine Herausforderung, weil die Einbindung von MitarbeiterInnen online weniger mitreißt als vor Ort im Team. Zusätzlich verstehen wir natürlich, dass die wirtschaftliche Lage aufgrund der Pandemie für viele Unternehmen schwierig ist und dadurch andere Sorgen kurzfristig im Vordergrund stehen. Wir möchten diese Unternehmen aber dabei unterstützen, den Wiederaufbau nach der Krise als Chance zu fassen und sich zukunftsorientiert aufzustellen.

Bis 2023 haben wir es uns zum Ziel gesetzt, die Glacier Community international zum Leben zu erwecken – wir wollen bis dahin mehrere Millionen MitarbeiterInnen an Board haben und es Unternehmen ermöglichen, konkrete CO2 Ziele zu definieren, einen Plan für die Umsetzung zu schmieden und schnell aktiv zu werden. Die Wissenschaft sagt, es braucht eine Reduktion der Emissionen um 7-8% jährlich, um das Ziel des Pariser Abkommens zu erfüllen. Das klingt sehr ambitioniert, es ist aber ein realistisches Vorhaben.

HV: Was glaubst du, können wir den drohenden Klimakollaps noch abwenden? Und wie schätzt du dein eigenes Verhalten in puncto Klimaschutz ein? In welchen Bereichen bist du vorbildlich unterwegs und wo besteht noch Verbesserungspotenzial? (z.B. Mülltrennung, Autoverzicht, Flugreisen, Lebensmittelverschwendung, etc.)

Andreas Tschas: Wenn ich nicht daran glauben würde, dass wir die Katastrophe abwenden können, gäbe es Glacier nicht. Jedoch: dass es 5 nach 12 ist, ist unbestritten. Für Glacier als Unternehmen setzen wir uns konkrete Ziele, wie zum Beispiel den Climate Impact Day als klimaneutrale Veranstaltung zu organisieren und unsere elektronischen Geräte „zu erneuern“ statt neu zu kaufen – dabei werden Computer und Handys generalüberholt und wieder verkauft.

Persönlich habe ich zum Beispiel meine Ernährung umgestellt und esse deutlich weniger Fleisch als noch vor einem Jahr. Man muss nicht ganz darauf verzichten, aber der eigene CO2 Fußabdruck vermindert sich massiv, wenn man nur mehr 1-2 Mal pro Woche Fleisch konsumiert. Als Familie mit zwei Kindern schaffe ich es noch nicht ohne Auto auszukommen, aber überlege auf ein Elektroauto umzusteigen. Es gibt noch viele andere Beispiele, die ich bzw. wir bei Glacier schon gut machen und noch verbessern können. Wir bleiben auf jeden Fall dran.


[1] https://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/at/Documents/presse/at-cfo-survey-herbst-2019.pdf

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