Dr. Günter Stummvoll, Sprecher der Initiative Standort – Plattform für Leistung & Eigentum, war u.a. 30 Jahre lang Mitglied des Nationalrates, Generalsekretär der WKO sowie von 1988 bis 1991 Finanzstaatssekretär. Im Interview mit retail.at sprach er u.a. über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, das Krisenmanagement der Bundesregierung und die Relevanz der freien Verbände.
Herr Dr. Stummvoll, wie bewerten Sie das aktuelle Krisenmanagement der Bundesregierung in Zeiten der Corona-Pandemie?
Wir haben mit der Corona-Pandemie die größte Gesundheitskrise und dadurch ausgelöst den stärksten Wirtschaftseinbruch in der Zweiten Republik. Keine Regierung hat in den letzten Jahrzehnten auch nur annähernd eine solche gewaltige doppelte Herausforderung zu managen gehabt. In Anbetracht dessen ist das Krisenmanagement der Bundesregierung mit dem Kampf gegen das Virus und der massiven Liquiditätshilfe für die Betriebe sehr in Ordnung. Natürlich haben wir ganze Heerscharen von Besserwissern, die in der Longe sitzend ihre Kommentare abgeben. Natürlich waren auch durch die Wucht und das Tempo der Pandemie Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung in der Vollziehung der Corona-Gesetze und Verordnungen manchmal überfordert und es kam zu Verzögerungen. Dennoch, was hier geleistet wurde, war beeindruckend.
Wir befinden uns zurzeit sowohl in einer Gesundheitskrise, als auch in einer historischen Wirtschaftskrise. Sehen Sie schon Licht am Ende des Tunnels?
Die Erfolgsmeldungen der Impfforschung sind zweifellos Grund zum Optimismus. Allerdings werden wir kaum vor dem Sommer Entwarnung geben können. Auch ist in Österreich leider die Eigenverantwortung und Selbstdisziplin nicht so entwickelt wie sie sein sollte. Das zeigen allein die derzeit mehr als doppelt so hohen Infektionszahlen im Vergleich zu Deutschland.
Für die Wirtschaft sind aber natürlich die positiven Meldungen von der Impffront von großer Bedeutung. Denn Wirtschaft ist Rechenstift + Stimmung. Kein Unternehmer wird investieren, wenn die Stimmung schlecht ist und er die Zukunft negativ einschätzt. Die Aussichten auf einen wirksamen Impfschutz werden die Stimmung drehen. Daher ist das Licht am Ende des Tunnels schon zu erblicken.
Wir erhalten zurzeit unzählige Rückmeldungen betroffener Händler, die mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage zunehmend überfordert sind. Viele klagen über zu wenig Liquidität, mehr als 6.500 Betriebe stehen akut vor der Insolvenz. Wie bewerten Sie die Corona-Hilfen der Bundesregierung? Was funktioniert gut, wo braucht es Nachbesserungen?
Die Umsatzeinbrüche im Handel, in der Gastronomie, in der Hotellerie und in vielen anderen Wirtschaftszweigen sind zweifellos gewaltig und manche Betriebe werden das trotz aller Hilfen der Bundesregierung nicht überstehen, auch wenn die breitgestreuten Corona-Hilfen mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro sehr großzügig sind. Natürlich gibt es daran Kritik und zwar in beide Richtungen: den einen ist es zu wenig, die anderen sprechen schon von Überförderung.
Zur Sicherung der Liquidität der Betriebe war dieses Förderungspaket ohne Alternativen. Wo es jetzt aber unbedingt Nachbesserungen braucht, ist beim Eigenkapital. Es ist eine langjährige Forderung der Wirtschaft, die steuerliche Diskriminierung des Eigenkapitals zu beseitigen und eigenkapitalstärkende Maßnahmen zu ergreifen. Denn der Eigenkapitalmangel wirkt sich vor allem in einer Krisensituation negativ aus. Insgesamt sind für ein rasches Comeback der Wirtschaft viele Impulse notwendig. Ich verweise hier auf das 10 Punkte Programm der Initiative Standort (www.initiative.standort.at).
Während viele heimische Unternehmen, die hierzulande Steuern zahlen, um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen, darf sich Amazon über Rekordgewinne freuen. Gleichzeitig zahlt der weltgrößte Onlinehändler in Europa schon seit Jahren keine Steuern, wird sogar mit Steuergutschriften belohnt. Was braucht es, damit wieder faire Spielregeln herrschen?
Mehr Fairness für den Handel ist in unserem 10 Punkte Programm eine zentrale Forderung. Zur Beseitigung der Unfairness bei der Besteuerung im Vergleich zu Amazon sind verstärkte Anstrengungen sowohl in der EU als auch auf OECD Ebene notwendig. Denn nationale Alleingänge lösen das Problem nicht. Die in Österreich eingeführte Werbeabgabe auf Onlinewerbung bezahlen die großen Konzerne wie Amazon aus der Portokasse.
Es geht aber nicht nur um mehr Fairness bei der Besteuerung, sondern es muss auch die schon für 1.1.2021 fixierte Abschaffung der 22-Euro-Freigrenze für Paketlieferungen aus Drittstaaten umgesetzt werden und nicht wie von der EU Kommission vorgesehen verschoben werden. Außerdem braucht es effiziente Kontrollsysteme, damit asiatische Onlinehändler sich an den österreichischen Abfall-Entsorgungssystemen beteiligen wie dies gesetzlich vorgesehen ist.
Wie bewerten Sie die Performance und Relevanz der Sozialpartner, aber auch der freien Verbände, während der COVID-Krise?
Die Sozialpartner haben in der Pandemie wieder an Bedeutung gewonnen, auch wenn noch immer kein Grundkonsens besteht, dass sie eine Standortpartnerschaft sein sollen und keine Verteilungspartnerschaft. Aber die Einigung bei der Kurzarbeit oder die sich abzeichnende Einigung beim Homeworking sind Schritte in die richtige Richtung.
Die freien Verbände arbeiten in der Krise durch ihre Mitgliedernähe, durch ihren Einfluss auf die Meinungsbildung und durch den ständigen Austausch mit der Regierung hervorragend. Ihre Geschwindigkeit und Flexibilität sind vor allem in Krisenzeiten von Bedeutung.
Wo sehen Sie Österreich bzw. ganz Europa in einem Jahr, wenn diese Gesundheitskrise hoffentlich überstanden ist?
Jede Krise ist bekanntlich auch eine Chance. Die Pandemie hat zum Beispiel in der Digitalisierung einen gewaltigen Schub gebracht und auch die Investitionsanreize waren goldrichtig, weil wir uns aus der Krise herausinvestieren müssen. Was den Zeitrahmen betrifft, muss man realistisch sein. Es wird wohl zwei bis drei Jahre dauern, bis wir wieder dort sind, wo wir sein wollen.
Gefahren drohen bei Forderungen von linker Seite wie Steuererhöhungen oder Arbeitszeitverkürzungen. Beide wären Gift für den Wirtschaftsaufschwung und total konterproduktiv. Sie müssen daher mit allem Nachdruck abgewehrt werden. Auch Europa wird aus der Krise lernen und muss bei allen Vorteilen der Globalisierung die Abhängigkeit von den USA und China verringern. Dies wird nur durch massiven Einsatz von Forschung, Entwicklung und Bildung gehen.
Wo kaufen Sie heuer Ihre Weihnachtsgeschenke ein?
Ich kaufe Geschenke nicht dann, wenn ich sie brauche, sondern dann, wenn ich während des Jahres etwas Passendes sehe. Damit habe ich auch keinen Einkaufsstress vor Geburtstagen oder Weihnachten. Denn ich liebe das Einkaufen in Geschäften, ich brauche die sozialen Kontakten, die Gespräche mit den Verkäufer(innen), muss die Ware angreifen können, daher habe ich noch nie bei Amazon etwas online gekauft und werde es auch künftig nicht tun. Für die heurigen Weihnachtsgeschenke war mir das breite und attraktive Angebot des Handels in Wien sehr hilfreich.
Und was ist Ihr größter Wunsch ans Christkind?
Heuer steht natürlich mit großem Abstand der Wunsch im Vordergrund, dass wir die Corona Pandemie gesundheitlich und wirtschaftlich gut überstehen und möglichst bald wieder zu unserem gewohnten Lebensrhythmus finden können.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
