Schweinestau bis nach Österreich?

Kooperation

Alle Welt redet von Corona. Allerdings macht Österreichs Schweinebauern derzeit noch eine weitere Virus-Krankheit Sorgen: die immer näher rückende Afrikanische Schweinepest (ASP). ASP und Corona haben in Deutschland bereits gezeigt, zu was sie gemeinsam in der Lage sind. Der Viren-Doppelpack wirbelt dort den Markt für Schweinefleisch gerade so kräftig durcheinander, dass viele Bauern am Verzweifeln sind. Die Frage ist nun, wie sehr das turbulente Geschehen auch auf Österreich übergreift und was das Ganze mit uns Konsumenten zu tun hat.

Aber der Reihe nach: ASP ist eine für Wild- und Hausschweine binnen Tagen tödlich verlaufende Krankheit, für die es aktuell noch keine Impfung gibt. Sie ist ursprünglich in Afrika beheimatet, auch auf Sardinien gibt es die Seuche schon lange. Neu ist, dass sie sich seit 2014 verstärkt auf dem europäischen Festland verbreitet, vor allem in Osteuropa. Hausschweine sind besonders gefährdet, wenn sie im Freiland gehalten werden, wo sie Kontakt mit Wildschweinen oder infiziertem Material haben können. Erhöhtes Infektionsrisiko besteht auch, wenn die Tiere mit Speise- und Küchenabfällen gefüttert werden. Das ist zwar in der EU seit einem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche verboten. In vielen kleinbäuerlichen Haltungsformen ist die Praxis aber noch immer verbreitet. Dass das ASP-Virus in Gefrierfleisch mehrere Jahre und auch in einer Salami einen ganzen Monat überleben kann, macht selbst die achtlos in den Wald geworfenen Reste einer Wurstsemmel zum Risiko. Wildschweine können sich daran infizieren.

Menschen kann das ASP-Virus nichts anhaben. (c) Adobe Stock

Menschen kann das ASP-Virus nichts anhaben, weder beim Verzehr von Schweinefleisch noch beim Kontakt mit lebenden Tieren. Die Gefahr liegt im Einschleppen der Krankheit in Schweineställe. Wenn das passiert, müssen alle Tiere des Betriebes getötet werden. Hinzu kommt die Errichtung von Sperrbezirken mit weitreichenden Transport- und Handelsbeschränkungen.

Österreich ist bis dato verschont vom ASP-Virus. Im ostdeutschen Brandenburg allerdings wurde es am 10. September erstmals bei einem Wildschein nachgewiesen. Mit gravierenden Folgen: Schon tags darauf sank der Erzeugerpreis für deutsches Schweinefleisch um satte 20 Cent pro Kilogramm. Kurz darauf verhängten China und andere asiatische Länder einen Importstopp. Man muss wissen: Für die deutsche wie auch die österreichische Schweinefleisch-Branche ist Asien ein wichtiger Absatzmarkt. Dort werden jene Teile des Schweins häufig als Delikatesse geschätzt, die hierzulande niemand essen möchte. Alle Knochenartikel und Fette etwa, Innereien, Ohren oder die Füße der Tiere. Ohne diese Verwertungsmöglichkeiten wären die Edelteile, die auch wir gerne verspeisen, um einiges teurer.

In Deutschland kommt hinzu, dass die großen Schlacht- und Zerlegebetriebe wegen diverser Corona-Ausbrüche seit dem Sommer ihre Arbeit zeitweise einstellen mussten und noch immer mit verminderter Kapazität arbeiten. Das Ergebnis der Misere: Bei den deutschen Mastbetrieben haben sich inzwischen rund 570.000 schlachtreife Schweine angestaut. (Stand 5.11.20) Und jede Woche kommen zwischen 30.000 und 60.000 hinzu . Diese Schweine müssen weiterhin fressen, verursachen dadurch Zusatzkosten und nehmen an Größe zu. Irgendwann haben sie im Stall weniger Platz, als ihnen gesetzlich zusteht. Und solange die Ställe besetzt sind, können die Betriebe keine neuen Ferkel aufnehmen, weshalb sich auch bei den Ferkelproduzenten die Tiere stauen. Ein Landwirt aus dem Emsland hat sich wegen tierschutzrechtlicher Bedenken deshalb sogar selbst angezeigt.  

Und schließlich bringt jeder neue Lockdown den Markt durcheinander. Zwar wird dann vermehrt zu Hause gekocht, anderseits reduzieren sich die Absatzmöglichkeiten in der Gastronomie schlagartig. Auch Weihnachtsmarkt-Bratwürste, die eigentlich jetzt im November vorbereitet würden, dürften heuer keinen reißenden Absatz finden.

Kurzum: Mit dem Blick nach Deutschland gerichtet sorgen sich auch österreichische Schweinehalter um die Zukunft: Sollten die Afrikanische Schweinepest und Corona auch hier bei uns gemeinsame Sache machen, wird es schwierig. Auch und gerade kleine Bauernhöfe kommen wegen einbrechender Absatzmärkte und dem daraus folgenden Preisverfall in Bedrängnis. Noch ist Österreich von der ASP verschont. Zudem helfen unseren Bauern das Bekenntnis des Lebensmitteleinzelhandels zu österreichischem, AMA-zertifiziertem Frischfleisch sowie das grundsätzlich höhere Preisniveau.

Und immerhin ist im Jahr 2020 aus Sicht der heimischen Landwirtschaft auch Gutes passiert: Corona hat die Bedeutung regionaler Wertschöpfungskletten und der Selbstversorgung ins kollektive Bewusstsein gerückt. Beim Einkauf vieler verarbeiteten Produkte oder im Wirtshaus ist es aber noch immer nicht möglich, die Herkunft der jeweiligen Zutaten nachzuvollziehen. Zwar ist seit 1. April eine neue Primärzutaten-Verordnung der EU in Kraft, aber die greift ausschließlich dann, wenn die Hersteller ihr Produkt mit „Hergestellt in Österreich“, rot-weiß-roten Flaggen und Ähnlichem bewerben. Dann muss auch die Herkunft der primären Zutaten angegeben werden, sofern diese nicht aus Österreich kommen. Wo nicht mit Österreich geworben wird, bleiben Herkünfte oft im Dunkeln. Der Gesetzgeber wäre gefragt, diese Informationslücken zu schließen.

Für Wirtshausbesucherinnen und Supermarkt-Kunden bleibt derweil nur, immer wieder nachzufragen: Kommen die Zutaten aus Österreich? Nur so können wir unserer kleinstrukturierten heimischen Landwirtschaft den Rücken stärken. Auch für die Zeiten, die Dank Schweinepest, Corona und anderen Unwägbarkeiten noch kommen mögen.


Dieser Beitrag ist in Kooperation mit Land schafft Leben entstanden.

http://www.landschafftleben.at

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