Bereits vor Christus stellten Philosophen fest, dass Menschen nicht „nicht-fühlen“ können, denn auch die Abstinenz von einem aktiv empfundenen Emotionszustand stellt ein Gefühl dar. Demnach sind Emotionen permanente Begleiter bei allen Handlungen und Gedanken eines Individuums, die diese in weiterer Folge beeinflussen und prägen (z.B. Aristoteles 350 v. Chr./1991; oder Hume 1739/1978). Dies gilt selbstverständlich auch für das Konsumentenverhalten am Point of Sale (PoS).
Da die meisten Kaufentscheidungen direkt am Verkaufsstandort gefällt werden, ist der Einfluss von Emotionen auf das Konsumentenverhalten am PoS von herausragender Bedeutung für das Marketing. Lediglich 35% der Einkäufe sind geplant, die verbleibenden 65% werden spontan getätigt, wodurch ein hohes Potential der Umsatzsteigerung mittels durchdachter Ladengestaltung entsteht (Häusel, 2008). Hierbei ist die emotionale Reaktion am Verkaufsstandort von besonderer Bedeutung, da die physische Umwelt vom Menschen kaum bewusst und kognitiv verarbeitet wird (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein, 2013). Demnach ist es das Ziel des stationären Handels geworden, nicht lediglich eine Darbietung des Produktsortimentes zu gewähren, sondern ein positives Erlebnis aus dem alltäglichen Einkauf zu kreieren (Bashe, 2001).
Ein Ladengestaltungselement, das sowohl als dekoratives Interior dient als auch zu einer positiven Atmosphäre beiträgt ist Digital Signage (DS). Hierbei handelt es sich um einen oder mehrere Bildschirm(e) jeglicher Größe, welche im Innen- oder Außenbereich des Verkaufsstandortes angebracht sind (OAAA, 2009). Um DS optimal nutzen zu können und unter Berücksichtigung des hohen Einflusses der Stimmung auf die Wahrnehmung und Interpretation der Umgebung (Kroeber-Riel und Gröppel-Klein, 2013), sowie der gezeigten DS Inhalte am PoS (Dennis et al., 2014), ist davon auszugehen, dass ein emotionsadaptierter DS Inhalt einen umsatzoptimierenden Einfluss auf das Konsumentenverhalten aufweist. Eine emotionsbasierte Anzeige von DS Inhalten führt dazu, dass die Konsumenten am PoS mit Inhalten konfrontiert werden, die ihre Stimmung im Idealfall verbessern und auf keinen Fall verschlechtern.

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Generell möchten sich Menschen in ihren Stimmungen bestätigt fühlen. Dies würde bedeuten, dass bei positiver Stimmung Kunden eher positive (emotionale) Videos annehmen und im Umkehrschluss bei negativer Stimmung eher negative Inhalte als authentisch empfinden. Dennoch sollten bei negativen Stimmungen nicht tatsächlich negative emotionale Inhalte gezeigt werden, da diese die negativen Stimmungen bestätigen und fördern (Baddeley, 2003). Das Zeigen positiver emotionaler Inhalte führt bei negativer Ausgangsstimmung eher zu Ablehnung und einer Verfestigung der negativen Stimmung (Jung et al., 2014). Demnach kann auf informative Inhalte zurückgegriffen werden, da diese als neutral wahrgenommen werden und die Bewertung von Produktinformationen und Fakten weniger der willkürlichen Stimmungslage des Betrachters zu Grunde liegen (Jung et al., 2014).
Zusätzlich fand die Produktkategorie Berücksichtigung: Das Bewerben von hedonistischen Produkten mittels emotional geladener Werbeinhalte stellt eine zu der Produktkategorie kongruente Argumentationskette dar, die es dem Konsumenten zusätzlich erleichtert die DS Inhalte wahrzunehmen und das Produkt glaubhafter wirken lässt. Durch einen mit Fakten gestalteten Inhalt kommt es zu einer mit dem utilitaristischen Produkt kongruenten Argumentationsreihe (Klein und Melnyk, 2016).
Um die Wirtschaftlichkeit emotionsadaptierter DS Werbeinhalte am PoS zu überprüfen wurde ein Laborexperiment mit 194 Probanden durchgeführt. Die Teilnehmer führten das Experiment selbständig an einem PC aus. Mittels eines Musikvideos wurden die Personen in eine entweder negative oder positive Stimmung versetzt. Anschließend wurden jeweils zwei verschiedene Werbevideos (emotional vs. informativ) zu jeweils zwei verschiedenen Produktkategorien (hedonistisch vs. utilitaristisch) gezeigt, die die DS Inhalte am PoS simulieren. Nach jedem Werbevideo erfolgte die Erfassung drei verschiedener Marketingerfolgsgrößen (Zahlungs- und Kaufbereitschaft sowie wahrgenommene Produktqualität).
Zu Beginn wurde untersucht, welcher DS Inhalt bei welcher Stimmung einen stärkeren Einfluss auf das Konsumentenverhalten, gemessen in Form der Zahlungs- und Kaufbereitschaft sowie der wahrgenommenen Produktqualität, aufwies. Bei der Überprüfung zeigte sich die Tendenz, dass bei positiver Stimmung eher ein emotionaler (H1) und bei negativer Stimmung eher ein informativer (H2) DS Inhalt zu einem stärkeren Effekt führte. Für die relative Zahlungsbereitschaft wurden beide Hypothesen gestützt. Bezüglich der Kaufbereitschaft stützen die Ergebnisse die ersten beiden Hypothesen bei den hedonistischen Produkten ebenfalls, die utilitaristischen Produkte zeigten jedoch keine signifikanten Effekte des DS Inhaltes und der Stimmung auf die Kaufbereitschaft. Ebenfalls konnten die Hypothesen bezüglich des Einflusses auf die wahrgenommene Produktqualität bei hedonistischen Produkten gestützt werden. Bei positiver Stimmung führte allerdings bei utilitaristischen Produkten ein emotionaler DS Inhalt zu einer verbesserten wahrgenommenen Produktqualität. Bei negativer Stimmung gab es bei der utilitaristischen Produktkategorie keine signifikanten Effekte. In einem weiteren Schritt wurden die drei Faktoren Stimmung, DS Inhalt und Produktkategorie näher analysiert. Hierbei nahm H3 an, dass bei positiver Stimmung und hedonistischen Produkten ein emotionaler DS Inhalt die Erfolgsgrößen stärker beeinflusst als ein informativer DS Inhalt bei utilitaristischen Produkten. Weder bei der Zahlungs- bzw. Kaufbereitschaft noch bei der wahrgenommenen Produktqualität wurden signifikante Effekte entdeckt, wodurch H3 in allen Konstellationen nicht gestützt werden konnte. H4, die annahm, dass bei negativer Stimmung und utilitaristischen Produkten ein informativer DS Inhalt die Marketingerfolgsgrößen stärker beeinflusst als ein emotionaler DS Inhalt bei hedonistischen Produkten, konnte hingegen in allen drei Varianten gestützt werden.
Diese durchgeführte Studie unterstreicht das Potential von emotionsorientiertem Targeting am PoS mittels DS. Dennoch müssen Kosten und Nutzen sowie andere Faktoren (gesetzliche Gegebenheiten, Ablehnung seitens der Kunden) vor der Implementierung eines Smart Tracking Systems mit Emotionserkennung am PoS genau abgewogen werden.
Die Autorin Ricarda C. Rainer absolvierte ihr Masterstudium im Bereich Strategic Management und Marketing an der Universität Wien. Basierend auf der Verleihung des Josef Umdasch Forschungspreises 2017 schrieb sie ihre Masterarbeit zu dem Thema Digitalisierung am PoS, welche 2019 als Buch in der BestMasters Reihe des Springer Gabler Verlages publiziert und mit dem Efficient-Consumer-Research Award 2019 sowie dem Preis der Deutschen Marktforschung 2020 (BVM) ausgezeichnet wurde. Nun arbeitet Frau Rainer als Research Consultant in dem renommierten Marketingforschungsunternehmen marketmind.

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