Das Coronavirus hat die Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Startups waren der Krise erstaunlich gut gewachsen. Flexibilität, schnelle Reaktionszeiten und digitale Technologien haben dabei quer über die Branchen hinweg eine große Rolle gespielt. Wir haben einige der Newcomer nach ihren Erfahrungen befragt.
NETICLE – www.neticle.com
Neticle-CIO und Mitbegründer Zoltán Csikós, dessen Unternehmen Textanalyse-Software für Industrie- und Handelskundschaft in zwölf Ländern anbietet und so mittels künstlicher Intelligenz datengestützte
Entscheidungen ermöglicht, meint zu den besonderen Anforderungen dieser Zeit: „Die größte operative Herausforderung war es, die gesamte Firma in einen Homeoffice- Modus zu versetzen. Homeoffice und flexible
Arbeitszeiten waren zwar schon vorher für jeden bei uns Standard, aber nicht in einem solchen Ausmaß.
Onlinemeetings spielen bei uns eine wichtige Rolle, wir sind auf die Tools angewiesen, um mit Kollegen zu kommunizieren, jedoch nutzen wir diese weit über einfache Meetings hinaus. Wir organisieren z. B. virtuelle
Kaffeepausen, wöchentliche News-Updates, zudem gibt es virtuelle Teambuilding- Aktivitäten, um auch nicht-arbeitsbezogene Zeit miteinander verbringen zu können.“ Auch an Neues hat man sich in der Corona-Zeit gewagt. Bei Neticle wurden dafür naturgemäß die eigenen digitalen Produkte genützt: „Unsere Personalabteilung führt alle zwei Wochen eine ‚Gesundheits-Umfrage‘ durch, für die wir unser eigenes Tool Zurvey.io einsetzen, um Teams zu identifizieren, die unter einem Homeoffice-Burn-out leiden. Es ist für uns alle eine große Herausforderung, mit Meetings und kurzen Calls dem Tagesgeschäft nachzukommen – während man unter Informationsmangel leidet.
Auch der übliche Office-Smalltalk fehlt. So müssen wir auch hier auf Tools zurückgreifen, um Probleme schnell zu erkennen und proaktiv und kreativ zu lösen.“ Geschäftsprozesse mussten nur geringfügig angepasst werden, so Csikos: „Persönliche Meetings und Schulungen wurden alle durch Onlinetools ersetzt. Glücklicherweise zeigten fast alle großes Verständnis und Professionalität. So konnten wir den Betrieb komplett aufrechterhalten – nur
eben online.“ Es gab auch einige positive Nebeneffekte, weiß er zu berichten: „Durch das Wegfallen von Reisen, Flügen und Taxifahrten hat sich unser ökologischer Fußabdruck deutlich reduziert. Das möchten wir auch
nach Ende der Einschränkungen so weit wie möglich beibehalten.“ Eine Zukunftsprognose kann der KIExperte
nur bedingt abgeben. „Es gibt viele Unbekannte in dieser Gleichung. Als Unternehmen gilt unsere größte Sorge der
wirtschaftlichen Entwicklung in Mittel- und Osteuropa während und nach der Krise. Wir können hier nur das Beste hoffen, sicherstellen, dass alles wie gewohnt weiterlaufen kann und unsere Partner dabei unterstützen, ihre Kundschaft und das Team mit unserer Software besser zu verstehen.“
ORDITO – www.ordito.at
Eine kontaktlose Bestell-App für die Gastronomie und ein Prognose-Algorithmus für den Handel, welcher mit künstlicher Intelligenz Absatzprognosen ermöglicht, sind die beiden Geschäftsbereiche bei Ordito. CEO Eric Weisz und sein Team haben die Corona-Zeit genützt und ihre webbasierte Gastro-App, die mit QR-Codes funktioniert, um die Möglichkeiten von Lieferung und Abholung erweitert sowie Kundenfeedback eingebaut. „Unsere Schwierigkeiten lagen in der Kundenbetreuung und -akquise, da man die Kundschaft nur über Telefon und E-Mails erreicht.
Das stellt sich in Zeiten der DSGVO und der Corona-Regulierungen als schwierig dar“, erklärt der Ordito-Chef. Für den
Prognose-Algorithmus, der sich noch im Entwicklungsstadium befindet, sei die Kundenakquise besonders schwierig gewesen,so Weisz, denn potenzielle Kundschaft sei mit anderen Themen beschäftigt gewesen. Auch Geschäftsprozesse mussten neu designt werden, erklärt Weisz: „Wir mussten innerhalb kürzester Zeit mehrere
Kund_innen ins System einspielen und den Kundenservice ausbauen. Und dies komplett remote, also aus der Ferne. Bei einer kleinen Startup-Struktur ist es allerdings einfacher, Prozesse zu ändern, anzupassen oder einzuführen.“
Bei Ordito blickt man jedenfalls optimistisch in die Zukunft: „Da wir über die Corona-Zeit unser Angebot kostenlos zur Verfügung gestellt haben und einige Gastronomen zu unserer Kundschaft zählen, werden die nächsten Monate interessant. Wir sind gespannt, wie sich die Branche davon erholen wird. Wir denken, dass es eine starke Nachfrage bei der datenbasierten Prognose geben wird, da man in den letzten Wochen sehen konnte, wie wichtig eine gut funktionierende Supply-Chain ist.“
ALLSTORE-www.allstore.at
Als Chance nimmt man die Coronazeit auch bei ALLstore wahr. Das Unternehmen bietet ein digitales Belohnungssystem für Onlineshops an, das jenen Kund_innen bessere Angebote macht, die länger aktiv im Onlineshop sind. CEO und Gründer Wolfgang Lehner meint: „Wie wichtig ein attraktiver Onlineshop neben dem stationären Geschäft ist, hat uns das Virus knallhart bewiesen. Das ist ganz klar zu beobachten. Gerade jetzt haben viele Händler_innen die Aufgabe, ihre treuen stationären Kund_innen auch für ihren Onlineshop zu gewinnen bzw. Kund_innen für den Onlineeinkauf überhaupt zu inzentivieren. Und dafür braucht man einfach ein Kundenbindungsprogramm, welches auch für den Onlineeinkauf passt. Wir können definitiv behaupten, dass das Interesse von Onlinehändlern gegenüber ALLstore während des Lockdowns deutlich gestiegen ist.“
Geschäftsprozesse hätten sich bei ALLstore nicht verändert. Lehner betont aber: „Wir müssen mit Demut in die Zukunft starten und lernen, jederzeit mit katastrophalen bzw. existenzgefährdenden Situationen umgehen zu können. Dazu gehört es, seinen Kund_innen alle Ausweichmöglichkeiten zu geben, mit denen sie Waren erwerben
können, und gleichzeitig das eigene Geschäft dabei attraktiv zu gestalten. Für das kommende Jahr erwartet er
sich, da das Thema E-Commerce noch nie so präsent gewesen sei wie derzeit, dass es „viele neue Möglichkeiten für uns als Startup bringen wird“.
BASENBOX- www.basenbox.at
Beim Lieferservice für basische Ernährung, der Basenbox, schuf die Corona-Krise besondere Herausforderungen. Geschäftsführer Lukas Lovrek erzählt: „Zu Beginn des Lockdowns herrschte ehrlich gesagt eine große
Unsicherheit mit Fragen wie: Wie geht’s weiter? Dürfen wir offen halten? Was müssen wir an neuen Regelungen beachten? Gleichzeitig gab es eine starke Nachfrage nach unserem Kur-Lieferservice, da wir ja täglich frisch und kontaktlos zustellen und so eine gesunde und einfache Alternative anbieten. Unsere Kunden müssen nicht einkaufen oder planen, sondern bekommen täglich drei fix und fertige Mahlzeiten direkt nach Hause geliefert. Mit vereinten Kräften konnten wir diese Situation zusammen mit unseren Partnern super lösen und meistern.“
Geschäftsprozesse mussten bei der Basenbox zwar nicht komplett neu entworfen werden, wurden jedoch teilweise
angepasst, so Lovrek. „Vor allem haben wir unsere schon vorab strengen Hygienemaßnahmen nochmals verstärkt und darauf geachtet, dass diese von der Küche bis hin zur Übergabe der Basenboxen an unsere Kund_innen
zu 100 Prozent eingehalten werden. Abseits dessen waren wir glücklicherweise davor schon durch unsere recht starke Onlinepräsenz gut aufgestellt.“
Der Blick in die Zukunft sei dennoch gerade in diesen Zeiten recht schwierig, meint der Basenbox-Geschäftsführer. „Insgesamt sind wir jedoch davon überzeugt, dass das Thema gesunde Ernährung nach wie vor von höchster Bedeutung ist, und wir möchten es den Menschen ermöglichen sich auf einfachste Art und Weise gesund
zu ernähren, sei es durch unseren Kur-Lieferservice in Wien oder unsere basische Produktlinie mit Frühstücken und Suppen bei SPAR.“
7LYTIX- www.7lytix.com
Data Science verbunden mit künstlicher Intelligenz – damit verhilft 7LYTIX Unternehmen aus den Branchen Handel, Logistik und Industrie dazu, ihr Datenpotenzial zu erkennen und zu nutzen. Geschäftsführer Franziskos
Kyriakopoulos hat in dieser besonderen Zeit insbesondere eine gewisse Verlangsamung wahrgenommen: „Unser Geschäftsmodell basiert auf Software as a Service (SaaS), sodass bestehende Kundschaft erhalten blieb.
Allerdings haben wir Verzögerungen bei Abschlüssen gespürt, vor allem von Handelsunternehmen.
Auch die Neukundengewinnung hat sich etwas verlangsamt.“ Das eigene Geschäftsmodell sei zwar
relativ robust, meint Kyriakopoulos, daher hätten keine Geschäftsprozesse wirklich neu gestaltet werden müssen. „Die Geschäftsprozesse unserer Kunden, z. B. im Fashion-Retail-Bereich, werden aber stark angepasst.“
Für die Zukunft erwartet Kyriakopoulos „ein kurzfristiges Aufblühen der Wirtschaft, allerdings gekoppelt mit den ökonomischen Folgen der Corona-Krise. Viele Unternehmen werden ihre internen Prozesse verändern
und jeder wird versuchen, für eine mögliche zweite Welle gewappnet zu sein.“