“Wir verzeichnen Paketmengen wie zu Weihnachten”

DI Dr. Georg Pölzl promovierte an der Montanuniversität Leoben. Seine berufliche Laufbahn startete er als Unternehmensberater bei McKinsey, später leitete er u.a. T-Mobile Austria. Seit 1. Oktober 2009 ist Pölzl Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Post. Mit retail.at hat er über die Herausforderung Covid-19, das Wachstum der Paketzustellung in Zeiten der Krise und die neue bank99 gesprochen.

Österreich befindet sich seit mehr als zwei Monaten im Corona-Ausnahmezustand. Welche Auswirkungen hat Covid-19 auf das Geschäft der österreichischen Post (Entwicklung des Paketvolumens)?
Wir haben eine sehr differenzierte Entwicklung im Paketbereich erlebt: Während es zu Beginn der Krise Rückgänge vor allem im B2B-Bereich durch Geschäftsschließungen gab, kam es später durch den Boom im Online-Handel zu stark steigenden Mengen im 2C-Bereich. Seit über 10 Wochen verzeichnen wir Paketmengen wie sonst nur zur Weihnachtszeit – das sind 600.000 bis 700.000 Pakete pro Tag und Steigerungen um zehn bis 20 Prozent. Dazu kommt der stark gestiegene Anteil an Sperrgut: Vom Rasenmäher bis zur Bierbank wird alles online bestellt und mit der Post zugestellt.

Die Post hatten in zwei Post-Verteilzentren Corona-Fälle, eingeschleppt durch Leiharbeitsfirmen. Wie haben Sie darauf reagiert?
Die Infektionskette ist Sache der Gesundheitsbehörden, wir wollen hier nicht an Spekulationen teilnehmen. Wir haben als Post einerseits auf das Wohlergehen aller Beschäftigten geachtet und andererseits den Betrieb für unsere KundInnen aufrechterhalten, zwischenzeitlich auch mit der Unterstützung des Bundesheeres. Die Vorsichtsmaßnahmen in den Logistikzentren wurden gemeinsam mit den Gesundheitsbehörden evaluiert und optimiert, das heißt, bei allen Personen werden vor dem Betreten des Gebäudes die Temperatur gemessen und Symptome abgefragt. Für unsere zwei Paket-Logistikstandorte im Großraum Wien gelten darüber hinaus nochmal strengere Maßnahmen: alle MitarbeiterInnen werden bis auf Weiteres regelmäßig getestet, außerdem arbeiten sie nur noch in Kleingruppen.

Im Kerngeschäft der Paketzustellung ist mittlerweile Amazon als Konkurrent in Österreich tätig geworden. Welche Auswirkungen wird das in den kommenden Jahren auf die Post haben, insbesondere im Ballungsraum Wien?
Amazon war und ist ein sehr großer und wichtiger Kunde für die Österreichische Post und wir stellen weiterhin Pakete für Amazon zu, ausgenommen natürlich jene Gebiete, in denen Amazon eine Eigenzustellung aufgebaut hat.
Der Paketmarkt wächst, wir verzeichnen auch ohne Corona steigende Paketmengen, im letzten Jahr haben wir etwa über 127 Millionen Pakete zugestellt. Wir investieren daher stark in den Ausbau unseres Logistiknetzes, 2020 sind das rund 150 Millionen Euro in Maßnahmen zur Festigung unserer Position als Marktführer in der österreichischen Paketlogistik. Außerdem bieten wir unterschiedliche Paketempfangsmöglichkeiten an, das beginnt mit unserem dichten Netz an Filialen und Post Partnern und geht hin zu Abholstationen, Post Stationen in Zusammenarbeit mit Hofer oder Paketempfangsboxen direkt vor der Haustür. Diese Engmaschigkeit kommt im Ballungsraum Wien nochmal zusätzlich zum Tragen.

Amazon dominiert auch den österreichischen eCommerce-Markt. Was sind die aus Ihrer Sicht wichtigsten Erfolgsfaktoren im Onlinehandel, um Amazon die Stirn bieten zu können?
Gute Qualität und Geschwindigkeit, das merken wir am Beispiel von shöpping.at. Wir haben Händler, die meistens am Tag der Bestellung versenden oder das spätestens am nächsten Tag tun, die Lieferung ist dann am Tag darauf bei den KundInnen. Andere gehen hingegen recht lasch vor, mit längeren Lieferzeiten, und bleiben deutlich unter ihrem Potential und auf einem Bruchteil ihres möglichen Erfolgs.

Das eCommerce-Portal shöpping.at hatte mit erheblichen Startschwierigkeiten zu kämpfen, konnte aber zuletzt im Zuge der Corona-Krise kräftig zulegen. Was dürfen wir uns in diesem Bereich in den kommenden fünf Jahren erwarten?
Ganz im Gegenteil: Als wir mit shöpping.at einen österreichischen Online-Marktplatz geschaffen haben, war uns von vornherein klar, dass es sich um eine langfristige Investition handelt – auch heutige Online-Größen haben klein angefangen und waren nicht sofort profitabel. Durch die Corona-Krise konnte shöpping.at natürlich alle Stärken ausspielen: Beim Online-Kauf bei österreichischen Händlern bleibt die Wertschöpfung im Land und es kommt zu keinen Einschränkungen wie eventuell bei Bestellungen im Ausland, etwa durch geschlossene Grenzen oder die Einstellung des Flugverkehrs. Wir haben im Frühjahr Spitzenzeiten mit zehnfachen Zugriffszahlen verzeichnet, auch die über shöpping.at abgewickelten Paketmengen haben sich im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht. Bei den HändlerInnen gibt es eine große Nachfrage, wir arbeiten Tag und Nacht daran, die neuen HändlerInnen auf die Plattform zu bringen. Ich bin zuversichtlich, dass shöpping.at dieser Schwung auch nach Corona erhalten bleiben wird.

Sie sind am 1. April mit der bank99 gestartet. Rechnet sich das Banken-Filialgeschäft noch?
Wir haben immer gesagt, dass wir mit der bank99 für 99 Prozent der ÖsterreicherInnen da sein wollen, digital und filial. Wir haben ein flächendeckendes Netz an Postgeschäftsstellen, über 400 Filialen und knapp 1.400 Post Partner, dazu kommen die längsten Öffnungszeiten der Branche. Die bank99 ist trotz der Krise sehr gut angelaufen, es gibt ein enormes Interesse und wir halten bereits bei über 30.000 KundInnen. Wir bieten einfache, verständliche Bankdienstleistungen an, Girokonten, Zahlungsverkehr, Kreditkarten, Debitkarten und Sparprodukte. Dafür sind wir da und es wird sich rechnen.

Generell ist die österreichische Post im internationalen Vergleich eine der wenigen Postgesellschaften, die im letzten Jahrzehnt ohne Gewinnwarnung ausgekommen ist. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wir bleiben nicht stehen, sondern orientieren uns an den Bedürfnissen unserer Kundinnen und denken unser Kerngeschäft ständig neu. Deshalb haben wir etwa im April die bank99 gestartet, um auch weiterhin einfache, moderne Bankdienstleistungen anbieten zu können, ob in unseren Geschäftsstellen oder digital per Smartphone-App. Deshalb haben wir letztes Jahr AllesPost gestartet, da unsere Kundinnen den Wunsch hatten, Pakete ausschließlich von ihrem bevorzugten Dienstleister zu bekommen. Und wir haben auch unsere Selbstbedienungszonen ausgebaut oder etwa Blockchain-Briefmarken entwickelt. Wir erneuern uns ständig, das macht die Innovationskraft der Österreichischen Post aus.

Georg Pölzl leitet seit mehr als 10 Jahren erfolgreich die Geschicke der Österreichischen Post.
Foto: Österreichische Post

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