Führen wir bald Bewerbungsgespräche mit Robotern?

Künstliche Intelligenz ist bereits in vielen Unternehmensbereichen angekommen und stellt uns immer wieder vor neue Herausforderungen. Verantwortliche des Personalbereichs müssen vorbereitet sein, um das Bestmögliche aus der Technologie herauszuholen. Im Idealfall den perfekten Kandidaten.

Dr. Peter Pendl, Geschäftsführer und Gründer des Personalberatungsunternehmens Dr. Pendl & Dr. Piswanger (P&P), verschafft einen Einblick in die Welt der Bewerbungsprozesse und erklärt, warum Künstliche Intelligenz heute und in Zukunft einen wichtigen Stellenwert hat.

Wie genau funktioniert Künstliche Intelligenz?
Nicht alles ist Künstliche Intelligenz (KI) was als KI bezeichnet wird. Einfach erklärt ist sie der Versuch, menschliches Lernen und Denken auf den Computer zu übertragen. Dahinter steht ein Algorithmus, der selbständig in der Lage ist zu lernen, mit bisher unbekannten Daten umzugehen, Muster zu finden und zu handeln. Doch ohne Evaluierung der Ergebnisse und Feedback durch erfahrene Personalberatung an das System kann das Potential nicht ausgeschöpft werden – und dies geschieht nicht immer.

Wie wird KI in der Personalberatung eingesetzt?
Einerseits wird KI zur Unterstützung des Research Prozesses eingesetzt. Andererseits unterstützt sie die erste Filterung für eventuell passende Kandidaten zur Beschleunigung des Prozesses. Durchgängig werden regelbasierte Abfragen zum Auffinden von Profilen anhand eines bestimmten Kriterien-Mixes genutzt.

Einige Unternehmen nutzen KI bereits für Textanalysen von Bewerbungsschreiben, um ein Persönlichkeitsprofil daraus abzuleiten und das mit dem Vorgabeprofil zu vergleichen. Ein anderes Beispiel ist die Erstellung von Stelleninseraten. Dabei werden Erfolg und Attraktivität bisheriger Inserate analysiert, um in der Folge selbst erfolgreiche Stellenanzeigen zu erstellen.

Gibt es Branchen, in denen es mehr Sinn macht, KI anzuwenden?

Wir setzen KI ausschließlich zur Unterstützung des Research-Prozesses ein. Insbesondere für hochqualifizierte Experten in technischen Branchen und für rare IT-Spezialisten, wo fachliche Qualifikation im Vordergrund steht.

KI einzusetzen, macht aber auch dann Sinn, wenn es eine sehr große Anzahl an Bewerbungen gibt. Ein gutes Beispiel ist die Besetzung der Stellen von Flugbegleitern. Vor der Coronakrise hatten wir über 700 Bewerbungen für zehn Positionen. Hier kann bei der Vorauswahl durch KI viel Zeit eingespart werden.

Ab welcher Betriebsgröße macht es Sinn, so zu suchen?

Zurzeit ist es sicher ausschließlich für größere Unternehmen sinnvoll, durch KI passende Mitarbeiter zu finden. Für kleinere Betriebe kommt es auf die Kosten-Nutzen-Rechnung an. Außerdem haben kleinere Unternehmen derzeit eher das Problem, neue Arbeitnehmer zu finden. Deswegen sollte man hier auf zwischenmenschliche Kommunikation setzen und nicht auf KI.

Schon bald könnten Bewerbungsgespräche zwischen Robotern und Menschen stattfinden
(c) iStock

Wo wird KI bereits verstärkt eingesetzt? Gibt es Verbesserungspotential?

KI wird in den USA bereits weit stärker eingesetzt als in Europa. Der gesamte Recruitingprozess kann beschleunigt werden, beginnend bei der Inseratengestaltung über die Vorauswahl bzw. die Suche bis hin zur Besetzung. Jedoch fehlt der “Personal Touch”. In Asien wird bereits an Robotern gearbeitet, die Bewerbungsgespräche führen. Bis diese tatsächlich eingesetzt werden können, dauert es aber noch Jahre. Beim Erkennen von Soft Skills bedarf es ebenfalls noch der Optimierung. Dabei spielen oft genau diese Eigenschaften eine interessante Rolle für Unternehmen. Aktuell können einfach noch nicht alle Soft Skills und deren Wichtigkeit durch KI erkannt werden. Es könnte auch dazu führen, dass der eigene Ruf durch zu große Technologisierung gefährdet wird. Der persönliche Kontakt nimmt gerade im Personalwesen einen wesentlichen Stellenwert ein.

Werden beim KI-Recruiting auch Soft Skills berücksichtigt?

Soft Skills werden in der Regel immer berücksichtigt. Jedoch wird von den Erzeugern der KI-Software viel mehr versprochen, als gehalten werden kann. Soft Skills sollen durch Textanalysen der Bewerbungsschreiben, Lebensläufe oder durch Eigenangaben und Einschätzungen von Kontakten auf den Social-Media-Kanälen berücksichtigt werden. Dabei muss aber hinterfragt werden, ob diese Beurteilungen passend sind. Die Bezugnahme auf die neuen Rahmenbedingungen ist hier wesentlich und darf nicht vergessen werden.

Momentan wird etwa an Robotern gearbeitet, die Soft Skills ermitteln sollen. Durch eine Analyse des Gesagten im Zusammenhang mit Mimik, Puls und Köpertemperatur soll festgestellt werden, ob ein Bewerber passt oder nicht.

Aktuell bedeutet das aber, dass ein Vorstellungsgespräch mittels KI nicht vorstellbar ist? Auch in der Zukunft?

Für das Führen von Vorstellungsgesprächen durch Computer ist die Technik noch nicht weit genug ausgereift. Deswegen ist es derzeit auch überhaupt nicht vorstellbar. Hier stellt sich auch die grundsätzliche Frage, ob man davon Gebrauch machen sollte, wenn es einmal möglich wäre. Es kann nämlich schnell der Eindruck entstehen, dass Menschen für Computer arbeiten.

Das Führen einfacher Telefonate, der Austausch von Informationen und auch Terminvereinbarungen können sicher einmal vom Computer übernommen werden. Hierzu gibt es bereits Entwicklungen von Google, namentlich „Google Assistant“. Auch für die Prozessbegleitung wird man KI nutzen. Vorstellbar ist, dass der Roboter dann als Entscheidungshelfer zu Rate gezogen wird, wie das jetzt schon in anderen Bereichen erfolgt. Der Roboter wird aber niemals die Führungskraft oder der Dienstgeber sein, wie dies in manchen Science-Fiction Filmen gezeigt wird.

Dann gehen Sie auch davon aus, dass Künstliche Intelligenz einen Personalberater nicht ersetzen kann?

KI kann zwar helfen, das gewünschte Profil festzulegen, aber in naher Zukunft wird der Personalberater nicht ersetzt werden können. An der Erkennung von Soft Skills oder Persönlichkeitsmerkmalen fehlt es noch. Um tatsächlich die Arbeit von einem Rekrutierer oder einem Personalberater ersetzen zu können, muss die künstliche Intelligenz Gefühle und Emotionen der Kandidaten erkennen und verstehen lernen.

Stärker von KI betroffen werden sicherlich jene Berater sein, die mehr auf Vermittlung als auf Beratung spezialisiert sind, “kleinere” Positionen besetzen oder nur lokal tätig sind. Ein guter Vergleich ist hier die Entwicklung im Einzelhandel: der “Zwischenhandel” und auch der “Großhandel” sind rückläufig, weil der Weg zum direkten Erzeuger leichter wurde. Durch E-Commerce wurde der stationäre Handel sehr stark beeinträchtigt. So ähnlich wird sich das auch in der Personalberatung zeigen. Alle jedoch, die Beratungskompetenz mit Kundennutzen oder Lösungsorientierung im Fokus haben, werden weiter wachsen und KI ihrerseits nutzen.

Werden potenzielle Kandidaten auch mittels Sozialer Netzwerke generiert?

Von Personalberatern werden soziale Netzwerke bereits zu 100 Prozent genutzt. Wir haben derzeit einen Arbeitnehmermarkt: Gute Kandidaten müssen auch gefunden werden, nicht alle bewerben sich von selbst. Durch Eingabe von Schlagworten wie Jobtitel, Kenntnisse, Branchen oder Kompetenzen generieren Systeme wie LinkedIn, Xing und Co mögliche Kandidaten.

Gibt es andere Plattformen, die wichtigen Input liefern?

Plattformen wie karriere.at schicken wöchentlich eine Übersicht mit möglichen Kandidaten, die zu den aktuell laufenden Inseraten passen – ein sogenannter “Matchingalarm”. Hier werden noch eher regelbasierte Algorithmen eingesetzt, aber sicher in Zukunft auch immer mehr KI. Derzeit bekommt man Kandidatenprofile ohne Reihung, durch KI kann das aber verbessert werden. Dabei muss jedoch auch mit Fehleinschätzungen gerechnet werden.

Metasysteme wie Talentwunder durchsuchen viele Plattformen und Firmen-Websites und erleichtern das Auffinden passender Profile. Wir nutzen – nicht nur bei internationalen Expertenmandaten – über unsere Partnerfirma algorithmengestützte Spurensuche im World Wide Web. In kürzester Zeit erhalten wir Profile von Personen, die fachlich zu 100 Prozent dem Anforderungsprofil entsprechen.

Wie viel Zeit und damit verbundene Ausgaben können im Durchschnitt eingespart werden?

Die Assistenzzeit kann hier sicherlich eingespart und um 30 bis 40 Prozent reduziert werden. Das bedeutet, dass Prüfung und Korrespondenz schneller ablaufen, aber auch im Bereich Research viel Zeit gewonnen wird, um mehr Raum für qualifiziertere Aufgaben zu schaffen.

Dem stehen jedoch Kosten für die Amortisation der IT-Erstinvestition und laufende Wartungskosten sowie Feedbackaufwand an das System gegenüber. Also vermutlich ein Null-Summenspiel. Nur bei größeren Unternehmen und stärkerer Nutzung kann sich auf lange Sicht eine echte Kosteneinsparung ergeben. Jedenfalls wird aber eine deutliche Effizienzsteigerung erzielt.

Welche weiteren KI-Trends und Entwicklungen gibt es in der Personalberatungsbranche?

Es gibt bereits viele Entwicklungen. Wie bereits erwähnt, die Plattformen, die die Kandidatensuche erleichtern und solche, die sogar passende Kandidaten zusenden können. In manchen Fällen kann sogar schon von “Soft KI” gesprochen werden und nicht nur regelbasiert. KI-Software Anbieter versprechen zwar viel, es gibt aber noch keinerlei Prüfungen, Qualitätszertifizierungen oder ähnliches. In Österreich befinden sich die Anwendungen zurzeit noch in den Kinderschuhen.

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