Sicherheitstüren, Alarmanlagen- eine beliebte Methode um unerwünschte Besucher von seinem Heim fernzuhalten. In der virtuellen Welt ist das Verhindern solcher Angriffe ein komplexes Unterfangen. Eine Auswertung des Bundeskriminalamts mit dem Stichtag 1. September 2019 ergab, dass in Österreich von Jänner bis Juni 2019 insgesamt 240.159 Anzeigen bearbeitetet wurden*. Claus-Peter Kahn leitet im Bundeskriminalamt das Büro für Betrug, Fälschung und Wirtschaftskriminalität. Die Hintergründe und die Ursachen der Cyberkriminalität erläutert er in diesem Interview.
Wie hat sich die Internetkriminalität in dem vergangenen Jahr entwickelt und wie sieht es momentan in Österreich aus?
Die Internetkriminalität steigt in den letzten Jahren stetig, vor allem die Zuwachsraten im Internetbetrug stechen hier hervor. Gründe sind hierfür die zunehmende Digitalisierung und die Möglichkeit über das Internet eine große Anzahl von Personen rasch und anonymisiert zu erreichen!
Was sind die größten Risiken im Online-Handel?
Beim Online-Handel handelt es sich um ein Fernabsatzgeschäft und da muss immer eine Seite, also Käufer oder Verkäufer ein Risiko eingehen. Lassen Sie mich das von Seiten eines Online-Händlers betrachten, wenn ich zum Beispiel das Service anbiete, dass ich auf Rechnung liefere, dann muss ich als Online-Händler auch abwägen, wie groß mein Risiko eines Zahlungsausfalls ist. Und da gibt es natürlich Möglichkeiten dies sicherer oder unsicherer zu gestalten.
Woran liegt es, dass Webshops oft Opfer von Internetkriminalität werden? Was machen sie falsch?
Ich denke es gibt einige Stellschrauben die man als Betreiber eines Webshops richtig justieren sollte. Generell beginnt das natürlich schon bei der fachgerechten Programmierung und technischen Ausgestaltung des Webshops, sollte in Folge eine Bonitäts- oder Identitätsprüfung der Kunden umfassen. Dazu kann man idealerweise über die Zahlungsmodalitäten und durch Auswahl des Zustelldienstes die eigene Sicherheit und somit auch den möglichen Ausfall steuern.
Weiß man, wer angreift?
Als Online-Händler kann man sich leider nicht sicher sein, wer mich angreift. Das bedeutet, ich kann bei einem Kunden, der sich zum Beispiel zum ersten Mal auf dem Webshop registriert nicht erkennen, ist dies nun ein regulärer Kunde, ein Einzeltäter, der aus Jux und Tollerei einen Betrug ausprobiert, oder ob eine Gruppe organisierter Täter versucht an Waren zu kommen.

Kann man dieses Problem überhaupt auf lokaler Ebene (in Österreich) bekämpfen?
Generell kommt es natürlich darauf an, wer der Angreifer ist und natürlich auch wo sich der Täter befindet. Wir als Kriminalpolizei ermitteln in Österreich, gerade als Bundeskriminalamt versuchen wir natürlich auch international mit anderen Polizeieinheiten in Ermittlungen zusammenzuarbeiten und auch Täter die im Ausland sind mit ausländischen Polizeieinheiten festzunehmen.
Welche Maßnahmen zur Prävention werden im Onlinehandel gegen Cyberkriminalität getroffen?
Als Kriminalpolizei versuchen wir im Rahmen der Prävention die Online-Händler aufzuklären. Das bedeutet für uns neben der aktiven Teilnahme an Konferenzen und Veranstaltungen vor allem Vorträge und Gespräche zur Aufklärung und wir haben das „Gemeinsam sicher“ Projekt und hier eine Kooperation mit dem Handelsverband.
Wir unterstützen mit dem Projekt „Gemeinsam sicher“ natürlich auch die Kooperation von privaten Unternehmen miteinander, denn wir haben gelernt, ein Schadensfall, der nicht eintritt, ist ein Opfer weniger in Österreich und somit für alle gut, nicht nur für uns als Polizei.
Was sind die drei Best Practices für mehr Sicherheit im Online-Handel?
Generell gilt: „Sicherheit kostet Geld, weniger Sicherheit kostet mehr Geld!“ Damit meine ich, dass ich als Online-Händler eine Bonitäts- oder Identitätsprüfung vor allem bei Neukunden durchführen sollte. Aufgrund dieser Maßnahme kann ich dann idealerweise über die angebotene Zahlungsmodalität entscheiden und kann durch die richtige Auswahl des Zustelldienstes einen Schaden verhindern.
Welchen Tipp geben Sie Konsumenten zum Schutz für Internetbetrug? Welchen Unternehmen?
Ich denke, dass man das Internet auch zum eigenen Schutz nutzen soll. Konsumenten werden derzeit mit Fake Web Shops betrogen. Hier empfiehlt es sich, wenn man unsicher ist, oder einen Webshop gar nicht kennt das Internet zu befragen. Generell gilt bitte seien sie vorsichtig, wenn Sie Geld gezahlt haben, dann ist es meist sehr schwierig dieses wieder zurück zu erhalten.
Wie funktioniert Identitätsdiebstahl und wie kann man sich davor schützen?
Ich bevorzuge hier den Begriff Identitätsmissbrauch, da Ihnen ja Ihre Identität nicht gestohlen wird, sondern sie die eigene Identität auch bei fremder Nutzung weiter behalten. Generell wird beim Identitätsmissbrauch ihr Namen und etwaige andere Daten, die der Täter entweder aus öffentlichen Quellen erfährt oder einfach erfindet für Betrügereien benutzt. Schutz ist hier einigermaßen schwer möglich, wichtig ist, dass man auf die Sicherheit seiner Daten bewusst schaut zum Beispiel bei der Registrierung auf unbekannten unsicheren Seiten.
Welche Auswirkungen haben Fakeshops auf den Markt? Gibt es hier Zahlen/Daten wie viele dieser Shops existieren?
Fake Web shops darf man sich nicht wie normale Geschäfte vorstellen. Die Täter halten sich nicht an gesetzliche Vorgaben und versuchen natürlich, ihre Identität zu verschleiern und möglichst viele Personen zu erreichen. Diese Fake Web shops tauchen oftmals auf, wenn dann bekannt wird, dass diese betrügerisch agieren werden sie wieder vom Netz genommen und tauchen entweder nicht mehr oder verändert unter anderen Domains wieder auf. Aufgrund der derzeitigen Krise, aber auch schon davor haben wir erkannt, dass die Täter ganz genau den Markt beobachten und Güter anbieten, die derzeit stark nachgefragt werden. Waren dies bis vor kurzem noch die aktuellen technischen Geräte, Handtaschen und Kleidung so sind dies nun Atemmasken und Desinfektionsmittel.
Blick in die Zukunft: Kann man Prognosen treffen? Wie wird sich die Cyberkriminalität entwickeln?
Generell muss man weiterhin davon ausgehen, dass die Kriminalität im Internet weiter steigt. Ich denke, dass neben der weiter zunehmenden Digitalisierung auch die Auswirkungen der COVID19-Krise spürbar sein werden. Ich sehe in den letzten Jahren und für die Zukunft eine zunehmende Professionalisierung der Täter. Damit einhergehend denke ich, dass die Notwendigkeit als Unternehmer besteht spezialisierte Dienstleistungen zur Absicherung des Onlineshops einzusetzen. Dies bedeutet naturgemäß ein mehr an Kosten, aber auch eine Sicherung der Einnahmen.
*Quelle: https://www.bundeskriminalamt.at/news.aspx?id=61767779716D724F3859493D, Aufruf: 05.04.2020, 09:17 Uhr