“Es muss zu einem sozial verträglichen und fairen Umdenken kommen!”

Nunu Kaller, ehemalige Konsumentensprecherin bei Greenpeace, hat innerhalb kürzester Zeit eines der größten Verzeichnisse für das regionale Handels- und Dienstleistungsgeschäftt auf die Beine gestellt. Und das durch ein simples Facebookposting. Den Hintergrund dazu und Ihre Empfehlungen für ein bewusstes Kaufen teilt sie mit uns in einem Interview.


Was hat dich – als ehem. Konsumentensprecherin von Greenpeace und erfolgreiche Buchautorin – auf die Idee gebracht, eine alternative Plattform für österreichische Webshops zu erstellen?

Als ich die PK streamte, in der durchgesagt wurde, dass sämtliche Läden außer dem Lebensmittelhandel schließen müssen, durchzuckte mich ein echter Schock: Ich habe viele Freunde und Freundinnen, die entweder freiberuflich arbeiten oder den Mut hatten, eigene Läden aufzumachen. Die standen mit einem Mal vor der Aussicht, in den kommenden Wochen und Monaten null Einkommen zu haben. Ich wusste, ich kann da jetzt nicht effektiv mit Geldspritzen oder sonstigem helfen, aber ich kann versuchen, mein kleines Netzwerk dazu zu nutzen, ihnen wenigstens Reichweite zu verschaffen. Etwa drei Minuten nach diesem ersten Gedanke war es auch schon geschrieben, das erste Facebook-Posting, in dem ich dazu aufrief, mir per Mail die Website zu schicken, wenn man derzeit online verschicken kann. Der Gedanke, dass es auch sehr wichtig ist, Steuern im Land zu lassen und daher jetzt auf Bestellungen bei internationalen Großkonzernen zu verzichten, war auch sehr schnell da.

Durch diese Schnelligkeit war ich wohl unter den ersten, die dazu aufrief – und hatte bereits am nächsten Tag 300 Adressen händisch auf meine Website gestellt. Dass es so nicht weitergehen konnte, wurde mir klar, als ich merke, dass ich über 700 Mails hatte. Ein Bekannter von mir baute quasi über Nacht ein neues CMS, in dem die UnternehmerInnen sich selbst eintragen konnten. Inzwischen sind wir in den kommenden Tagen wohl bald bei 7000 Einträgen, und es werden immer mehr.

Es begann also wirklich als reine Hilfestellung für FreundInnen, als Solidaritätsakt. Dass ich, die noch dazu ein Buch namens „ich kauf nix!“ geschrieben hat, jetzt quasi eine Webshoppingplattform managed, ist eine wirkliche Ironie des Schicksals. Doch ganz unlogisch ist es nicht – die Förderung lokalen Handels, ein „Think global, but act regional“ war mir immer schon wichtig und ist es auch jetzt.


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Wie viele Menschen stehen hinter dem Team von nunukaller.com und wie funktioniert die Eintragung?

Momentan sind wir +/- zehn Leute, von denen die meisten damit beschäftigt sind, sämtliche Eintragungen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und mit entsprechenden Suchworten zu versehen, bevor wir sie online schalten. Das Eintragen kann jeder Unternehmer und jede Unternehmerin selbst auf www.nunukaller.com vornehmen, wir schalten im Hintergrund laufend frei. Wichtig sind unsere Kriterien: Sei ein heimisches Unternehmen, hab also deinen Firmensitz in Österreich, und wenn du keinen eigenen Webshop hast, vermerke bitte auf deiner Website, wie man derzeit bei dir einkaufen/bestellen kann. Dann schalten wir frei.

Worauf sollte ich als kritische/r Konsument/in beim Onlineshopping achten?

Ich denke, dass Regionalität immer noch eine große Rolle spielt – wieso sollte ich mir, in Wien lebend, die Naturkosmetik-Gesichtscreme aus Tirol liefern lassen, wenn es in Wien auch viele AnbieterInnen gibt?  Und natürlich gilt auch weiterhin die Frage: Brauch ich etwas wirklich oder will ichs mir nur kaufen, damit ich eine innere Leere fülle? Das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen, ist nicht nur in Corona-Zeiten immens wichtig – denn nur weil wir gerade akut in der Corona-Problematik leben, ist der Klimawandel nicht abgesagt.

Viele Expertinnen und Experten sagen, Amazon wird als einziger Händler von der Corona-Krise profitieren. Wie siehst Du das?

Die heimischen Supermärkte, die offenhalten durften, werden jetzt auch nicht unbedingt mit einem Minus aus der Krise hervorgehen. Aber ja, Amazon ist einer der ganz großen Gewinner der Krise – umso wichtiger ist es, gerade jetzt darauf hinzuweisen, wie wichtig es ist, bei heimischen KMUs und EPUs zu konsumieren. Damit hilft man nicht nur ganz direkt und unmittelbar den Mitmenschen im Land, sondern trägt auch durch die in Österreich abzuführenden Steuern zu einer finanziellen Absicherung des Sozialsystems bei. Dieser Gedanke muss jetzt wirklich stark verbreitet werden – ohne in politischen Nationalismus abzugleiten. Der hilft nämlich niemandem.

Wo kaufst Du online am liebsten ein? Gibt es österreichische Marktplätze/Plattformen, die Du empfehlen kannst?

Ich achte darauf, dass ich nur online bestelle, was ich „anders“ nicht bekomme. Als die Läden zu hatten, gab es eigentlich nichts, was ich dringend benötigte und nicht im Lebensmittelgeschäft bekam (auch kleine Läden hatten offen, nicht nur die großen Supermärkte). Doch, ein Würfelset, um mit meinen Neffen und Nichten per Skype zu pokern – das habe ich problemlos und günstig über einen heimischen Spielzeugladen online bekommen.

Ich habe die Regel, wenn ich ein Produkt kaufen möchte: Erst schaue ich, ob ich es in einem Geschäft in meinem Umfeld bekomme. Wenn das nicht der Fall ist, schaue ich online, ob es irgendwo sonst in Wien lieferbar ist, und ich es abholen kann. Wenn das auch nicht der Fall ist (und ja, das ist schon manchmal vorgekommen), dann bestelle ich – und auch ich bin manchmal bei Amazon gelandet. Der große Vorteil von Amazon ist, dass sie extrem kundenfreundlich agieren in Bezug auf Lieferzeiten und Versandkosten. Das muss einen Lerneffekt auf den heimischen Handel haben – wir kriegen diese Convenience nicht mehr weg aus den Köpfen der KonsumentInnen, leider – und der heimische Handel muss da jetzt nachziehen.

Ich finde außerdem, man muss gute Ideen auch honorieren – ich bin beispielsweise Fan von wienerlabel.com, wo man durchgehend regional und fair produzierte Produkte bestellen kann.

Was ich allerdings fix nicht bei einem der großen Anbieter bestelle, sind deutschsprachige Bücher. Da endet mein Verständnis komplett: Jeder stationäre Buchladen in Österreich kann jedes Buch, das mit einer ISBN Nummer versehen ist, für dich bestellen und hat es am nächsten Tag im Laden, das Vertriebssystem im DACH Raum ist da einmalig. Viele Buchläden bieten inzwischen versandkostenfreies Verschicken an. Und aufgrund der Buchpreisbindung gibt es auch keinen Unterschied im Preis im Vergleich zu den Onlineriesen. Wer nach der Krise noch Bücher bei Amazon bestellt, hat leider etwas Grundlegendes nicht verstanden.

Wo siehst Du den heimischen Handel in 10 Jahren?

Ich halte diese Prognose für kaum möglich – wie uns auch die Coronakrise bewiesen hat, gibt es immens viele Faktoren, die man nicht berechnen kann. Ich denke, dass es einen Schub in Richtung Regionalität geben wird, aber der sich nur in einer Nische abspielen wird – das online Bestellen beim Riesen ist eben immer noch sehr bequem. Wichtig wäre es jetzt, dass auch große Anbieter jetzt mit konsequenter und sinnvoller Nachhaltigkeitsarbeit agieren (nur weil Corona ist, ist der Klimawandel nicht abgesagt) – und dass von politischer, medialer und wirtschaftlicher  Seite endlich die öffentliche Erkenntnis kommt, dass es nicht mehr so weitergehen kann, dass riesige Unternehmen Steuergeschenke bekommen oder sich aus dem System herauslavieren können (ich denke da an XXXLutz und Starbucks, letztere haben im vergangenen Jahr weniger Steuern gezahlt als ich als Einzelperson), während kleine weiterhin um jeden Cent kämpfen. Da MUSS es zu einem Umdenken kommen, das sozial verträglich und fair ist. Das heißt nicht, dass wir die Globalisierung komplett negieren müssen, das ist unrealistisch und wird nicht gehen – aber wir müssen sie anders leben und aus den bisher gemachten Fehlern lernen.

Andererseits sehe ich durch Corona eine unfassbare Beschleunigung der Digitalisierung. Wie sich die v.a. auf unser Stadbild auswirken wird, ist mir ein Rätsel. Nur noch teure Filialisten und Gastro? Ich hoffe nicht, befürchte es aber.

Auf www.nunukaller.com finden Sie eine große Auswahl an regionalen Dienstleistern und Händlern.

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