Amazon: Der Riese kommt unter Druck

Amazon. Die rechtlichen Probleme des Onlineriesen nehmen zu. Weltweit können sich Händler nach einer Beschwerde des Handelsverbandes über mehr Fairness am Marktplatz freuen.

Mitte Juli hat Amazon bekannt gegeben, weltweit die Geschäftsbedingungen für seine Marktplätze zu ändern. Davon profitieren zahlreiche kleine Händler, die auf die Plattform des Online-Platzhirschen angewiesen sind und sich bereits lange über unfaire Praktiken beschwert hatten. Den erfreulichen Veränderungen vorausgegangen waren Untersuchungen des deutschen Kartellamts und der österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). Hauptbeschwerdeführer in Österreich war der Handelsverband, dessen Geschäftsführer Rainer Will sich über den Erfolg entsprechend erfreut zeigt: „Damit sind wir unserem Ziel, einen fairen Marktplatz für alle Händler und Konsumenten sicherzustellen, einen entscheidenden Schritt näher gekommen.“

Patricia Grubmiller, Legal Managerin des Handelsverbands (c) Arts Illustrated Studios

Die neuen Marktplatz-Bedingungen

In folgenden Punkten hat der Handelsverband mehr Fairness auf dem Marktplatz
von Amazon erreicht:

• Keine Kündigung oder Aussetzung von Verträgen mit sofortiger Wirkung und ohne Angabe von Gründen. Eine Kündigung erfolgt unter Einhaltung einer Frist von 30 Tagen.
• Das Nutzungsrecht an den Materialien, die Händler bereitstellen und das Amazon für sich beansprucht, wird reduziert. • Freistellung/Entschädigung von Amazon durch Händler nur bei Gesetzesverletzungen.
• Der Haftungsausschluss wird beschränkt.
• Werden Bestimmungen geändert, muss Amazon dies 15 Tage zuvor ankündigen.
• Auch andere Gerichtsstände als Luxemburg Stadt sind möglich.
• Der weitgehende Haftungsausschluss bzw. die Haftungsfreistellung betreffend die Lagerhaltung im Programm „Versand durch Amazon“ werden gestrichen.
• Verlängerung der dreitägigen Widerspruchsfrist für Marktplatzhändler bei durch Amazon gewährten Erstattungen im Rahmen der A–Z-Garantie.

Umfrage beweist starke Abhängigkeit

Durch die freiwillige Änderung der Bedingungen (Details siehe Kasten) konnte Amazon einem langwierigen Gerichtsverfahren vor dem Kartellgericht entgehen. Die vom Handelsverband vorgebrachte Beweislage scheint erdrückend gewesen zu sein. „Dieser Erfolg zeigt, dass der digitale Raum nicht rechtsfrei ist und sich auch digitale Giganten an die Gesetze halten müssen“, so Will. Der Handelsverband begrüßt zudem die Empfehlung der BWB an Amazon, in seinen Geschäftsbedingungen zumindest einen Ansprechpartner zu benennen, an den sich die heimischen Händler unmittelbar wenden können. Mangelhafte Kommunikation mit Amazon war ein wesentlicher Kritikpunkt der Marktplatz- Händler gewesen. Eine von der BWB durchgeführte Marktbefragung, bei der rund 400 der umsatzstärksten österreichischen Marktplatzhändler am Amazon.de- Marktplatz befragt wurden, hat deutlich gezeigt: Die heimischen Marktplatzhändler sehen kaum relevante Alternativen zum Amazon Marketplace, um ihre Kunden online zu erreichen. Ein großer Teil der befragten Marktplatzhändler verkauft fast ausschließlich auf Amazon. Und auch jene Marktplatzhändler, die nach ihren Angaben über Alternativen verfügen, erwirtschaften den weitaus größten Teil ihres Umsatzes auf Amazon.de.

Mehr Troubles in den USA und EU

Damit sind die rechtlichen und politischen Probleme für Amazon aber bei Weitem nicht aus der Welt. Auch an anderen Fronten braut sich Ungemach zusammen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager – die zumindest bis Oktober noch im Amt ist – will ein Kartellverfahren gegen Amazon einleiten. Hintergrund ist die Doppelrolle des Unternehmens als Einzelhändler und Onlinemarktplatz, auf dem andere Händler ihre Produkte verkaufen. Im Fokus stehen vor allem die Daten, die Amazon auf seinem Marktplatz sammelt und für die Optimierung seiner eigenen Verkaufstätigkeiten nutzen könnte. Amazon erwirtschaftet mittlerweile 58 Prozent seines weltweiten Umsatzes mit dem Marketplace. Auch die US-Regierung will schärfer gegen die Marktmacht der großen Internetkonzerne vorgehen. Im Visier stünden „Suchmaschinenanbieter, soziale Netzwerke und Onlinehändler“, wie es in einer offiziellen Mitteilung heißt. Das Justizministerium untersucht nun, ob durch die marktbeherrschende Stellung der Wettbewerb unterdrückt, Innovationen behindert oder den Konsumenten auf andere Weise Schaden zugefügt wird. „Auch wir werden uns weiterhin mit aller Kraft für Fair Commerce einsetzen, um Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Österreich zu sichern und damit die Chancen der Digitalisierung zu nutzen”, so Handelsverband-Geschäftsführer Will.

In erster Linie moralisch verwerflich“

Personal. Strenge Überwachung, absurde Bestrafungen: Kaum hat Österreich ein Amazon-Logistikzentrum, folgen Klagen über die Arbeitsbedingungen.

Seit Oktober vergangenen Jahres hat auch Österreich ein eigenes Amazon-Logistikzentrum, in Großebersdorf nordöstlich von Wien. Nur wenige Monate später setzte scharfe Kritik der Gewerkschaft an den Arbeitsbedingungen ein, nachdem ein Mitarbeiter des Amazon-Lagers Einblick in seinen Arbeitsalltag gewährt hatte: • Überwachung: Der Scanner, der als Arbeitsgerät benutzt wird, registriert genau die Arbeitsleistung der einzelnen Beschäftigten. Zugriff auf die Daten haben diese jedoch nicht. • Disziplinierungen: Leistet sich ein Mitarbeiter ein Fehlverhalten, etwa falsche Bekleidung oder zu geringe Arbeitsleistung, dann muss er zur Strafe jedes Paket unter Aufsicht einzeln scannen, obwohl es die Möglichkeit eines gruppierten Scannens gibt.

• Strenge Vorschriften und Misstrauen: In der Arbeitszeit darf man keine persönlichen Gegenstände mit sich führen, etwa Uhren, Gürtel, Handys oder Kaugummi. • Gefährlicher Arbeitsplatz: Die Regale sind angeblich sehr hoch und nicht am Boden befestigt, gleichzeitig seien die Gänge zwischen den Regalen sehr eng.
• Leiharbeit: Von den mehr als 150 Mitarbeitern sind laut der zuständigen Gewerkschaft GPA nur 16 direkt bei Amazon angestellt, der Rest sind Leiharbeitskräfte.

Kommt Begrenzung von Leiharbeit?
Das klingt alles nicht sonderlich sympathisch – aber ist es auch gesetzwidrig? Amazon bewege sich hart an der Grenze, sagt GPA-Pressesprecher Daniel Gürtler zu „retail“: „Bei zentralen Vorwürfen bezüglich Überwachung, Strafaktionen bei Fehlverhalten und fragwürdiger Bekleidungsvorschriften „In erster Linie moralisch verwerflich“ hat Amazon nichts geändert. Solche Vorgaben sind wohl nicht gesetzeswidrig, sondern tatsächlich in erster Linie moralisch verwerflich.“ Die Halle wurde angeblich nach einer Überprüfung durch das Arbeitsinspektorat umgebaut. Der Konzern streitet freilich sämtliche Anschuldigungen ab: „Wir denken nicht, dass die Vorwürfe die Wirklichkeit in unseren Gebäuden widerspiegeln“, hieß es in einem Statement. „Spannend wird noch, ob die Initiative zur Begrenzung der Zahl der eingesetzten Leiharbeitskräfte konkrete Ergebnisse bringt“, so Gürtler. „Hier ist auf unsere Anregung hin das Sozialministerium aktiv geworden.“ Leiharbeitskräfte dienen eigentlich dem Abdecken von Auftragsspitzen. Wenn der Verdacht von Missbrauch besteht, könnte eine Verordnung die Anzahl der Leiharbeitskräfte bei Amazon Österreich begrenzen.

▪ Gerhard Mészáros

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