Werner Kogler kämpft bei der Nationalratswahl am 29. September als Spitzenkandidat der Grünen um den Wiedereinzug ins Parlament. Wie er das Comeback schaffen möchte und welche handelsrelevanten Positionen die Grünen vertreten, hat er im Gespräch mit “retail.at” erklärt.

Was sind für Sie die drei allerdringlichsten Herausforderungen, in denen sich die Grünen in einer möglichen künftigen Regierung einsetzen würden?
Wir treten an, um treibende Kraft für saubere Umwelt und saubere Politik zu sein. Die Erderwärmung schreitet schneller voran, als in den Prognosen vorhergesagt. Mit der Botschaft: Wir sind die erste Generation, die die Klimakrise trifft und die letzte Generation, die das Ruder noch herumreißen kann. Wir wollen Österreich mit seinen vielen innovativen Betrieben zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz machen. Das bringt Chancen für den Wirtschaftsstandort Österreich, Chancen auf viele neue Arbeitsplätze. Wir streben eine ökosoziale CO2-Bepreisung mit einem Klimabonus für Haushalte und Unternehmen sowie eine Investitionsoffensive in den öffentlichen Verkehr an.Wir treten auch für Anstand in der Politik und Gerechtigkeit in der Gesellschaft an: Politik muss für Menschen verständlich, transparent und sauber sein. Das verlangt nach einem neuen, strengen Parteiengesetz mit Strafbestimmungen, einem Informationsfreiheitsgesetz statt der Amtsverschwiegenheit und einer Kontrolle der Parteien durch den Rechnungshof. Um an Politik und Gesellschaft teilhaben zu können, müssen aber alle Menschen auch sozial abgesichert und geschützt sein. Insbesondere Gruppen, die keine Lobby haben, wie etwa Kinder, Menschen mit Behinderung, armutsgefährdete Menschen und pflegebedürftige Menschen müssen verstärkt geschützt werden. Ebenso ist es wichtig, in Bildung zu investieren, damit kein Mensch zurückbleibt und Frauenrechte und die Rechte benachteiligter Gruppen dieser Gesellschaft auszubauen und zu stärken.
Stichwort Amazon: Welche Pläne haben Sie, um den österreichischen Handel zu unterstützen?
Die Grünen treten für effektive Maßnahmen gegen steuervermeidende Umgehungskonstruktionen ein, die ausschließlich international agierenden Konzernen offenstehen. Weiters sollen Steuern und Abgaben dort zu entrichten sein, wo Kund*innen eine Ware erhalten.
Wie beurteilen Sie die Akzente des Handelsverbandes?
Was die Verhinderung von Steuervermeidungspraktiken betrifft, unterstützen die Grünen die Vorschläge des Handelsverbands. Auch viele Maßnahmen zur Müllvermeidung oder ein Ende der sogenannten „kalten Progression“ finden sich in der Programmatik der Grünen.
In Österreich gibt es neben den Sozialpartnern auch zahlreiche engagierte freiwillige Interessenvertretungen. Würden Sie diesen künftig mehr Gewicht geben, indem Sie diese ebenso vor politischen Entscheidungen anhören?
Es ist das Ziel der Grünen, die politische Partizipation durch Einbindung aller Interessierten und Betroffenen deutlich zu erhöhen. Das umfasst die Organisationen der Zivilgesellschaft und damit auch freiwillige Interessensvertretungen.
Wie bewerten Sie das (beiliegende) Handelsverband-Programm “Jetzt gemeinsam Handel[n]“? Welche Empfehlungen würden Sie gerne umsetzen?
Aus Sicht der Grünen sind zahlreiche Vorschläge des Handelsverbands betreffend Klimaschutz und Ressourcenverbrauch sinnvoll und zielführend. Ebenso halten wir die Forderungen nach größerer Durchlässigkeit im Bildungssystem, der Abschaffung der Mietvertragsgebühr oder der Hebung der Forschungsquote für wichtig und unterstützen diese. Nicht im Sinne der Ziele der Grünen ist jedoch das Beharren auf Einwegflaschen und Plastikverpackungen oder die Erweiterung von Öffnungszeiten bzw. Verringerung der Arbeitseinkommen der Handelsangestellten. Ebenso können die Grünen Vorstellungen des Handelsverbands, etwa Einschränkungen des Demonstrationsrechts oder sektorale Bettelverbote, nicht unterstützen. Klar ist aber, dass alle der vom Handelsverband angesprochenen Themenbereiche Gegenstand der öffentlichen Debatte sind. Auch wenn wir in einigen Punkten die Positionen des Handelsverbandes nicht teilen, so ist für uns klar, dass diese Debatten geführt und alle Positionen in diese Debatte eingebunden werden müssen.